Warnsignale erkennen, Anzeichen verstehen
Es wird zu wenig darüber gesprochen: Suizidalität. Dabei wäre ein öffentlicher Diskurs vonnöten, um zu wissen, wie man als angehörige Person richtig handelt, wenn Anzeichen wahrgenommen werden.
Ein Thema, das Unbehagen hervorruft. Ein Thema, welches verschwiegen wird, obwohl es allgegenwärtig ist. Und wie präsent Suizidalität in unserer Gesellschaft ist, kann statistisch belegt werden: Im Jahr 2018 haben sich 1.209 Österreicher*innen (950 Männer und 259 Frauen) durch Suizid das Leben genommen.1 Im Vergleich dazu starben im selben Jahr 408 Menschen eines Verkehrstodes.2 Diese Zahlen machen deutlich, wie wichtig es ist, über Suizidalität offen zu reden. Denn wenn Warnzeichen frühzeitig erkannt werden, können entsprechende Handlungen gesetzt werden, um einen möglichen Suizidversuch zu verhindern.
Was führt überhaupt dazu, den Suizid in Betracht zu ziehen?
Der Begriff Suizidalität umfasst im Generellen alle entsprechenden Handlungen, die dazu führen könnten, sich das Leben zu nehmen. Lebensprobleme oder Krisen, welche unlösbar oder vermeintlich nicht zu bewältigen sind, scheinen dabei nur überwunden werden zu können, indem der Suizid gewählt wird. Diese Erläuterung zeigt auch auf, dass der Suizid nicht als ‚Freitod‘ zu verstehen ist, denn aufgrund der existenziellen Belastung, welche offenbar übermächtig wird, kann Suizid nicht als freiwillige Entscheidung verstanden werden.3
Die Gründe, warum sich Personen für einen Suizid entscheiden, sind dabei vielfältig: Oftmals wollen Betroffene vor für sie unerträglichen Situationen oder vor negativen Gedanken und Gefühlen fliehen. Auch wird im Suizid eine Möglichkeit gesehen, aktuelle Probleme zu lösen oder hoffnungslose Umstände abzuwehren. In vielen Fällen sehnen sich Betroffene nach Ruhe, nach einem Ende von scheinbar aussichtslosen Krisen. Nur selten ist ein einziger Grund ausschlaggebend für die Entscheidung, sich das Leben nehmen zu wollen.4 „Vielmehr entwickelt sich Suizidalität aus einem Zusammenspiel unterschiedlicher biologischer, sozialer, psychologischer und kultureller Faktoren“5.
Wie erkennt man dabei, ob Angehörige gefährdet sind?
Der Suizidversuch einer nahestehenden Person kündigt sich in den meisten Fällen bereits im Vorfeld an. Deswegen ist es auch von Bedeutung, über mögliche Anzeichen Bescheid zu wissen. Sollten die Warnsignale ersichtlich sein, so sollte man auch nicht zögern, die betroffene Person dahin gehend anzusprechen, denn der offene Umgang gibt – wie man oft anders vermutet – keinen zusätzlichen Anstoß für einen Suizidversuch.6 Geachtet werden sollte auf die folgenden Warnzeichen:7
- Die angehörige Person leidet unter starken psychischen Belastungen und befindet sich in einer psychischen Krisensituation. Zudem vermittelt sie den Eindruck von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.
- Direkte oder indirekte Suizidgedanken oder -ankündigungen sollten als Warnsignal ernst genommen werden.
- Direkte Suizidankündigungen wären beispielsweise offen dargelegte Aussagen wie „Ich bringe mich um“.
- Indirekte Ausdrucksformen können verbal vermittelt („Ich will nicht mehr“, „Alles ist sinnlos“) oder durch Gesten kundgetan werden (die betroffene Person macht großzügige Geschenke).
- Das Vermeiden von Kontakten oder der Rückzug vom sozialen Geschehen sowie der Interessensverlust, Hobbys auszuüben, könnten ebenso Warnsignale darstellen.
- Einst für wertvoll befundene Gegenstände oder Dinge werden nicht mehr wertgeschätzt oder verschenkt.
- Ein leichtfertiges und risikobehaftetes Verhalten, Schlafstörungen, Appetitverlust oder Konzentrationsstörungen könnten weitere Anzeichen für einen möglichen Suizidversuch sein.
- Die betroffene Person spricht des Öfteren über den Tod und beschäftigt sich zunehmend mit Themen, welche mit Suizid in Verbindung stehen.
- Der plötzliche Abschluss einer Lebensversicherung oder das Sammeln von entsprechenden Mitteln, welche den Suizid herbeiführen könnten (Tabletten oder der Kauf einer Waffe), sollten nicht ignoriert werden.
- Handlungsbedarf besteht, wenn die betroffene Person plötzlich gelassener wirkt, obwohl die Lebensumstände dieselben geblieben sind. In diesem Fall könnte sie bereits den Entschluss gefasst haben, sich das Leben zu nehmen.
Personen, welche befürchten, dass Angehörige einen Suizidversuch unternehmen könnten, sollten auch selbst Hilfe in Anspruch nehmen, da in solchen Fällen oftmals die Verantwortung übernommen wird, was zu Überforderung führen kann und schlussendlich eine enorme psychische Belastung darstellt.9
Und wie reagiert man nun richtig auf konkrete Warnsignale für einen möglichen Suizid?
Wenn die betroffene Person tatsächlich Suizidgedanken äußert oder die Warnsignale nicht zu übersehen sind, dann ist es zunächst von großer Bedeutung, dass die Gedanken und Gefühle der/des Gefährdeten ernst genommen werden. Ein erster Schritt zur Bewältigung kann sein, ein Gespräch mit ihr/ihm über deren/dessen Suizidabsichten und Belastungen zu führen. Von besonderer Wichtigkeit ist hierbei das aktive Zuhören: Geben Sie Hoffnung, ermutigen Sie die betroffene Person und bringen Sie auch Ihre Emotionen wie Sorge oder Angst zum Ausdruck. Bestärken Sie die betroffene Person ebenso darin, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, und – wie bereits erwähnt – scheuen Sie nicht davor zurück, sich selbst auch Unterstützung von außen zu holen.
Tunlichst vermieden werden sollte das ‚Kleinreden‘ von Problemen oder das Erheben von Vorwürfen. Auch sollte man sich nicht zurückziehen und dadurch die betroffene Person alleine lassen. Vermeiden Sie auch, Versprechungen zu machen, welche nicht eingehalten werden können.10
Was, wenn es nun aber doch passiert ist?
Nach einem Suizidversuch einer angehörigen Person reagieren vielen mit Schock, aber auch mit Verleugnung sowie mit Schuldzuweisungen die eigene Person betreffend, weil man die Warnzeichen verkannt und nicht genau ‚hingesehen‘ hat. So kommt es auch häufiger vor, dass man zunächst nicht genau weiß, wie man mit der/dem Betroffenen umgehen oder sie/ihn konkret unterstützen soll. Von Wichtigkeit ist es, dass man deutlich zu verstehen gibt, helfen zu wollen, und man für Gespräche ein offenes Ohr hat. Auch wenn Reaktionen wie Kritik am Verhalten, Beschimpfungen oder komplette Ignoranz nachvollziehbare Handlungsweisen wären, so sind diese für die betroffene Person nicht hilfreich und deswegen auch zu vermeiden.11
Wie bereits erwähnt sollte man auch auf sich selbst achten und Hilfe holen: Das Aufsuchen von Ärzt*innen oder der Austausch mit Gleichgesinnten können in diesem Fall wichtige Hilfestellungen bieten, aber auch neue Perspektiven eröffnen.12 Im Akutfall ist es deswegen auch von großer Wichtigkeit, zu wissen, an wen bzw. an welche Organisation sich sowohl Betroffene als auch Angehörige wenden können:
Notruf – Rettung
Telefon: 144
Telefonseelsorge
Telefon: 142
kostenlose Beratung rund um die Uhr
KIT: Kriseninterventions-Team
Telefon: 130
bei aktuen Krisen und Notfallsituationen
Erreichbarkeit rund um die Uhr und kostenlos
Männernotruf
Telefon: 0800 246 247
Erste Anlaufstelle für Männer in Krisen- und Gewaltsiutationen
Erreichbarkeit rund um die Uhr und kostenlos
Ö3 Kummernummer
Telefon: 116 123
Erreichbarkeit täglich von 16:00 bis 24:00 Uhr und kostenlos
GO-ON Suizidprävention Steiermark
Informieren Sie sich über psychosoziale Beratungsstellen in der Steiermark unter www.suizidpraevention-stmk.at »»
Psychosoziale Dienste
Ein vollständiges Adressverzeichnis aller steirischen psychosozialen Dienste finden Sie unter www.plattformpsyche.at »»
1 Vgl. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: Suizid und Suizidprävention in Österreich. Bericht 2019. Wien: 2020, S. 10.
2 Vgl. Bundesministerium für Inneres: Verkehrsstatistik 2019.
URL: https://www.bmi.gv.at/202/Verkehrsangelegenheiten/unfallstatistik_vorjahr.aspx [Stand: 30.12.2020].
3 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Suizid: Was ist das? Zuletzt aktualisiert am 26.11.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/wissenswertes/was-ist-suizid [Stand: 30.12.2020].
4 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Suizid: Was ist das? Zuletzt aktualisiert am 26.11.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/wissenswertes/was-ist-suizid [Stand: 30.12.2020].
5 Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Suizid: Was ist das? Zuletzt aktualisiert am 26.11.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/wissenswertes/was-ist-suizid [Stand: 30.12.2020].
6 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Suizid: Warnsignale. Zuletzt aktualisiert am 26.11.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/angehoerige/warnsignale [Stand: 30.12.2020].
7 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Suizid: Warnsignale. Zuletzt aktualisiert am 26.11.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/angehoerige/warnsignale [Stand: 30.12.2020].
8 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Suizid: Warnsignale. Zuletzt aktualisiert am 26.11.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/angehoerige/warnsignale [Stand: 30.12.2020].
9 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Erste Hilfe für Angehörige von Suizidgefährdeten. Zuletzt aktualisiert am 26.11.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/angehoerige/erste-hilfe-leisten [Stand: 30.12.2020].
10 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Was sollen Angehörige (nicht) tun?
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/angehoerige/was-soll-ich-tun [Stand: 30.12.2020].
11 Vgl. Öffentliches Gesundheitsprotal Österreichs: Nach dem Suizidversuch eines nahen Menschen. Zuletzt aktualisiert am 26.11.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/angehoerige/nach-suizidversuch-nahestehender [Stand: 30.12.2020].
12 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Nach dem Suizidversuch eines nahen Menschen.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/angehoerige/nach-suizidversuch-nahestehender [Stand: 30.12.2020].
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