Von der Macht der Sonne und des Mondes

 

Rund um die beiden Himmelskörper existieren zahlreiche Behauptungen – auch hinsichtlich deren Einflussnahme auf das psychische Wohlbefinden. Aber welche davon sind tatsächlich wahr?

Ein intakter Schlaf-Wach-Rhythmus ist unerlässlich für die körperliche und psychische Gesundheit.1 Neben innerphysischen Funktionen, die uns munter und müde werden lassen, ist vor allem das Licht dafür zuständig, uns auf den Tag bzw. die Nacht vorzubereiten. Scheint also die Sonne, wird dem Körper signalisiert, den Tag zu bestreiten; ist der Himmel schwarz und leuchtet der Mond, dann beginnt auch für viele die Schlafenszeit. Und um beide Himmelskörper ranken sich so einige Mythen: Sind wir im Sommer durch die Sonneneinstrahlung immer fröhlich? Und kann der Vollmond tatsächlich Schlafstörungen verursachen? Diese und weitere Behauptungen sind auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und sollen im Folgenden verifiziert bzw. als Unwahrheit entlarvt werden.

Glücklich machende Sonnenstrahlen

Der Stern im Zentrum unseres Sonnensystems nimmt im Generellen großen Einfluss auf unsere physische und psychische Gesundheit: Neben der Bildung von wichtigem Vitamin D, das unter anderem für die Knochenstruktur von Bedeutung ist, kurbeln Sonnenstrahlen auch den Kreislauf an.2 Der Depressionsforscher Ulrich Hegerl, tätig an der Ludwig-Maximilians-Universität München, weiß außerdem: „Bei Tageslicht eine Stunde spazierengehen hebt die Stimmung“3. Mangelt es somit an Tageslicht (wie es in der kalten Jahreszeit der Fall ist), wird auch die Eigenschaft des Glückshormons Serotonin, an Nervenzellen anzubinden, gehemmt, weswegen viele Menschen sodann an depressiven Verstimmungen, Müdigkeit und Antriebslosigkeit leiden, so auch bei der bekannten Herbst-Winterdepression.4

Wenn die Sonne die Stimmung trübt

Dass es eine solche jahreszeitliche Verstimmung jedoch auch im Sommer bei intensiver Sonneneinstrahlung gibt, wissen nur die wenigsten Personen: Ca. 4 bis 6 % der Bevölkerung sind nämlich von der sogenannten Sommerdepression betroffen und auch hier ist ein sinkender Serotoninspiegel für die getrübte Stimmung verantwortlich: In der Regel steuert unser Körper die Produktion von Serotonin und Melatonin – bekannt als Schlafhormon und damit essenziell für den eingangs erwähnten Schlaf-Wach-Rhythmus – von selbst. Im Sommer kann es durch die längeren Tage bzw. Sonnenstunden in Kombination mit Ferien, Feiern und Urlauben jedoch zu einem unregelmäßigen Tagesablauf und damit auch zu einer Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus kommen, in weiterer Folge zu einer Senkung des Serotoninspiegels. Weil innerphysische chemische Prozesse aus dem Gleichgewicht geraten, wird außerdem eine allgemeine Unruhe wahrgenommen, die nicht nur die Stimmung trübt, sondern auch langfristig zu Depressionen führen kann.5

Fest steht, dass die Sommerdepression nicht ignoriert werden darf: „Die Behandlung der Sommerdepression verläuft praktisch ident mit anderen depressiven Störungen“6, wie die an der Medizinischen Universität Graz tätige habilitierte Psychologin Nina Dalkner erklärt. Medikamente, welche die Stimmung heben – hier insbesondere Antidepressiva –, sowie eine psychologische Behandlung und Gesprächstherapien sollen dabei unterstützen, den Tag wieder besser zu strukturieren, dabei körperliche Aktivitäten zu integrieren und Unsicherheiten sowie Ängste rund um die Erkrankung abzubauen.7 Ziel ist es, „so wieder schöne und genussvolle Sommer erleben zu können“8, so Dalkner.

Der Erdtrabant als Alltagshelfer

Da die Sonne gemäß den Ausführungen in den allermeisten Fällen positiv auf die Seele wirkt, aber ebenso negativen Einfluss auf sie nehmen kann, scheint es nur logisch, dass auch der nächtliche Erdbegleiter, der Mond, zu solchen Mechanismen in der Lage ist. Vor allem den Mondzyklen werden diverse Effekte dahin gehend nachgesagt: In Tageszeitungen, Illustrierten etc. stößt man unweigerlich auf den sogenannten Mondkalender und damit auf Ratschläge, wann gegärtnert, geputzt oder wann die Haare geschnitten werden sollen, wann ‚Entspannungstage‘ für mehr Wohlbefinden sorgen und zu welchem Zeitpunkt man eher mit Menschen in Kontakt treten wird als an anderen Tagen. Dass der Mond also dabei hilft, Tätigkeiten im Alltag zu erleichtern und auch unser körperliches und psychisches Wohlbefinden an manchen Tagen (bzw. Nächten) stärker beeinflusst, hält sich als Gerücht hartnäckig. Als wissenschaftlich gesichert gilt jedoch, dass das Mondlicht keine besonderen Kräfte hat und damit auch keinen Einfluss darauf nimmt, wann Pflanzen besser wachsen oder wie dicht das Haar nachwächst.9

Störfaktor Mond für gesunden Schlaf

Diese von Forscher*innen (unter anderem Chronobiolog*innen) abgesprochene Wirkung bezieht sich dabei auch auf die weitverbreitete Annahme, dass der Mond – vor allem der Vollmond – für Schlafstörungen verantwortlich sei. Dass es tatsächlich zu Einschlaf-Problemen in dieser Zeit kommen könne, hänge aber gemäß Wissenschaftler*innen unter anderem mit der selektiven Wahrnehmung zusammen: Jeder Mensch schläft manchmal ausgesprochen gut, manchmal sehr schlecht. Man erinnert sich aber ganz besonders an einen wenig erholsamen Schlaf, wenn dieser in einer Vollmond-Nacht stattgefunden hat, und entlarvt den Mond aufgrund unseres Bedürfnisses, kausale Zusammenhänge zu finden, auch schnell als Verursacher. Häufig kommt es dann in weiteren Vollmond-Nächten zu einem schlechteren Schlaf, weil man bereits mit der Annahme, dass der Vollmond schlechter schlafen lässt, zu Bett geht und damit quasi eine Art ‚selbsterfüllende Prophezeiung‘ eintritt.10

Alles nur ein Mythos?

Und obwohl der Mond aus wissenschaftlicher Sicht keinen Einfluss auf unsere allgemeine Schlafqualität nimmt, konnte durch Studien doch nachgewiesen werden, dass trotzdem „eine klare Modulation des Schlafes durch den Mond“11 gegeben sei, wie der an der Universität von Washington tätige Biologe Horacio de la Iglesia erläutert, nämlich „mit späterem Einschlafen und kürzerer Schlafdauer in den Tagen vor dem Vollmond“12, so seine weiterführende Erläuterung. Dies könne daran liegen, dass der Trabant etwa drei bis fünf Tage vor dem Vollmond-Ereignis als „eine signifikante abendliche Lichtquelle“13 diene, wie Leandro Casiraghi, ebenso als Biologe an der Universität von Washington tätig, ergänzt. Das veränderte Schlafverhalten hat demnach nichts mit einer besonderen Wirkungsweise des Mondes zu tun, sondern könnte neben der zuvor erwähnten selektiven Wahrnehmung und der generellen Annahme, bei Vollmond schlechter schlafen zu können, auch damit im Zusammenhang stehen, dass der Mond als latente Lichtquelle fungiert, weswegen wir nicht so schnell und zu den gewohnten Zeiten müde werden.14

Somit stimmt die Behauptung, dass der Mond starken Einfluss auf die Schlafqualität nimmt, nur zum Teil: Zwar kann das Mondlicht unser Schlafverhalten rund um die Vollmond-Nächte beeinflussen, jedoch stehen Schlafstörungen (Insomnien) damit in keinem Zusammenhang. Und auch andere Wirkungsweisen des Mondes den Körper und die Seele betreffend sind bis heute wissenschaftlich nicht belegt, ganz im Gegensatz zu den Sonnenstrahlen: Diese ist essenziell für unser allgemeines Wohlbefinden, weswegen das ‚Sonne-Tanken‘ unbedingt erforderlich ist, jedoch gilt dabei, übermäßige Sonneneinstrahlung aufgrund körperlicher Gefahren zu vermeiden und trotz langer sonniger Tage auf einen gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus sowie auf eine gewohnte Strukturierung des Tages zu achten. Auf diese Art und Weise kann zur Gänze von der positiven Wirkung der Sonne profitiert werden, ohne die körperliche und psychische Gesundheit zu gefährden.

 


1 Lesen Sie mehr zu den diversen menschlichen Biorhythmen als Forschungsgegenstand der Chronobiologie in unserem Blogbeitrag
Chronobiologie – Die innere Uhr als ununterbrochener Taktgeber »»
vom 30.03.2022.

2 Vgl. Pratschko, Margit: Die Macht der Sonne. In: focus.de. Veröffentlicht am 04.01.2017.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/news/die-macht-der-sonne-medizin_id_2035533.html [Stand: 21.06.2022].

3 Pratschko, Margit: Die Macht der Sonne.
URL: https://www.focus.de/gesundheit/news/die-macht-der-sonne-medizin_id_2035533.html [Stand: 21.06.2022].

4 Vgl. Medizinische Universität Wien: Winterdepression: Wenn zu wenig Licht krank macht.
URL: https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/news/detail/winterdepression-wenn-zu-wenig-licht-krank-macht/ [Stand: 21.06.2022].

5 Vgl. Dalkner, Nina: Sommerdepression: Wenn die Psyche im Sommer streikt. In: medunigraz.at. Veröffentlicht am 28.07.2021.
URL: https://www.medunigraz.at/news/detail/sommerdepression-wenn-die-psyche-im-sommer-streikt [Stand: 21.06.2022].

6 Dalkner, Nina: Sommerdepression: Wenn die Psyche im Sommer streikt.
URL: https://www.medunigraz.at/news/detail/sommerdepression-wenn-die-psyche-im-sommer-streikt [Stand: 21.06.2022].

7 Vgl. Dalkner, Nina: Sommerdepression: Wenn die Psyche im Sommer streikt.
URL: https://www.medunigraz.at/news/detail/sommerdepression-wenn-die-psyche-im-sommer-streikt [Stand: 21.06.2022].

8 Dalkner, Nina: Sommerdepression: Wenn die Psyche im Sommer streikt.
URL: https://www.medunigraz.at/news/detail/sommerdepression-wenn-die-psyche-im-sommer-streikt [Stand: 21.06.2022].

9 Vgl. Freistetter, Florian: Die fünf größten Mythen über den Mond. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 17.06.2019.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000104884561/die-fuenf-groessten-mythen-ueber-den-mond [Stand: 21.06.2022].

10 Vgl. Freistetter, Florian: Die fünf größten Mythen über den Mond.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000104884561/die-fuenf-groessten-mythen-ueber-den-mond [Stand: 21.06.2022].

11 Bernard, Elena: Wie der Mond uns beeinflusst. In: wissenschaft.de. Veröffentlicht am 27.01.2021.
URL: https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/wie-der-mond-uns-beeinflusst/ [Stand: 21.06.2022].

12 Bernard, Elena: Wie der Mond uns beeinflusst.
URL: https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/wie-der-mond-uns-beeinflusst/ [Stand: 21.06.2022].

13 Lanzke, Alice / dpa: Welchen Einfluss hat der Mond auf uns? In: geo.de. Veröffentlicht am 28.01.2021.
URL: https://www.geo.de/wissen/23892-rtkl-neue-untersuchungen-welchen-einfluss-hat-der-mond-auf-uns [Stand: 21.06.2022].

14 Vgl. Bernard, Elena: Wie der Mond uns beeinflusst.
URL: https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/wie-der-mond-uns-beeinflusst/ [Stand: 21.06.2022].

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Veröffentlicht am: 27.07.2022