Strategien zur Stressbewältigung im Alltag
Um eine Überbelastung bestmöglich zu meistern, sollten diverse Methoden für einen adäquaten Umgang mit Stress zur Anwendung kommen. So werden auch Körper und Psyche aktiv geschützt.
Wir alle erleben hin und wieder einen anstrengenden Tag, weswegen wir uns umso mehr darauf freuen, diesen mit Tätigkeiten ausklingen zu lassen, die für Entspannung sorgen, uns Spaß machen und wohltuend wirken. Doch fordernde Ereignisse sind mittlerweile nicht mehr die Ausnahme: „Umfragen belegen, dass sich Menschen immer stärker gestresst fühlen“1, wie Gert Kaluza, Leiter des Institutes für Gesundheitspsychologie in Marburg, festhält.
Stress an sich scheint somit ständiger Begleiter im Alltag geworden zu sein. Neben der positiven Form von Stress – Eustress –, welche dazu motiviert, Herausforderungen anzunehmen und zu meistern ,2 spricht man jedoch häufiger vom „durch falsche Anpassungsleistungen durchaus auch selbstverschuldeten Stress“3, vom sogenannten Distress, so der am Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie der Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover tätige Medizinhistoriker Heiko Stoff. Und diese Art von Stress mache uns Menschen auf Dauer krank, wie er ergänzt.4
Eine ständige Überbelastung kann auf zwischenmenschliche Beziehungen, auf ein Zuviel an Freizeitaktivitäten oder auf den Berufsalltag zurückgeführt werden. Vor allem Letzterer verursache dabei am meisten Stress, was darauf zurückzuführen sei, dass die Arbeit an sich für viele Menschen den größten und wichtigsten Stellenwert im Leben einnehme, wie Kaluza erklärt. Zum einen könne die Arbeit vom Privatleben nicht mehr exakt abgegrenzt werden, zum anderen seien die Jobs unsicherer geworden, weswegen sich Arbeitnehmer*innen stärker beweisen müssen als früher. Und weil traditionelle soziale Strukturen wie der Großfamilien-Verband, die Nachbarschaft oder die Dorfgemeinschaft in der heutigen, schnelllebigen Zeit keine so große Rolle mehr spielen,5 bleibe „da nur die Arbeit als identitätsstiftendes Element“6, so Kaluzas Resümee. Damit bestimme die berufliche Überbelastung in vielen Fällen auch häufig das ganze Leben.7
Stress als gefährlicher Krankheitsauslöser
Wenn eine langanhaltende, fortwährende Anspannung gegeben ist, sorgt das überschüssige Cortisol, welches durch die dauerhafte Belastung nicht mehr abgebaut werden kann, zunächst für einen Leistungsabfall und eine körperliche Erschöpfung.8 Das Immunsystem wird dabei massiv geschwächt und gleichzeitig steigt das Risiko immens, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder eine Depression zu entwickeln.9 Und mittlerweile belegt eine mit mehr als 100.000 Männern und Frauen durchgeführte Studie in Europa, dass Dauerstress nicht nur Krankheiten begünstigt, sondern auch die Lebenszeit – vor allem von Männern – verkürzen kann.10
Trotz eines stressigen Alltages gelassen bleiben
Damit ist es unabdingbar, sich diverse Stressverarbeitungsstrategien anzueignen, um einer Überbelastung erfolgreich entgegenzuwirken. Zur Verfügung stehen hier mehrere Arten von Bewältigungsmechanismen, welche ein positives Stressmanagement markieren, gleichzeitig aber auch schadhaft sein können:14
- Direkt aktive Stressbewältigung
Die zu bewältigende belastende Situation wird aktiv verändert, indem durch eine positive Einstellung entsprechende Stressfaktoren direkt beeinflusst werden. - Direkt inaktive Stressbewältigung
Die/der Handelnde ignoriert beziehungsweise vermeidet all jene Elemente, welche Stress auslösen können, oder verlässt die Situation bewusst. - Indirekt aktive Stressbewältigung
Im Vordergrund steht hier das Reden über die stressauslösenden Situationen, das Vollrichten von anderen Tätigkeiten sowie das Ändern der eigenen Person, um mit Belastungen besser umzugehen. - Indirekt inaktive Stressbewältigung
Diese Art von Stressmanagement kennzeichnet sich durch ein passives Verhalten, welches gesundheitsschädigend ist, nämlich durch übermäßigen Alkoholkonsum oder Medikamentenmissbrauch. Weder die stressauslösende Situation noch das eigene Verhalten werden verändert.
Für eine erfolgreiche Stressbewältigung sollte demnach immer eine aktive Komponente bestehen, also das Lösen beziehungsweise Vermeiden von möglichen belastenden Situationen oder das Reflektieren über stressauslösende Ereignisse beispielsweise durch das Reden darüber, sodass man einen anderen, positiveren Blickwinkel schaffen kann, der es schließlich ermöglicht, den Stressmoment zu akzeptieren. Verdrängungsmechanismen empfehlen sich keinesfalls, da sie negativen Einfluss auf die Gesundheit nehmen können.
Positive Bewältigungsstrategien flexibel anwenden
Im Generellen steht uns eine Vielzahl an möglichen stressreduzierenden Maßnahmen zur Verfügung, allen voran das Akzeptieren von scheinbar unlösbaren Situationen: „Man muss anerkennen, dass man in einer schwierigen Situation ist, und sich selbst sagen, dass man diese Gefühle haben, dass man durch den Wind, überfordert, verzweifelt oder verängstigt sein darf. Dadurch wird die Situation normalisiert und bekommt Berechtigung“15, wie Klaninger dazu erläutert. Erst dann ist es möglich, Distanz zur Situation herzustellen und mögliche Bewältigungsstrategien zu entwickeln.16
Auch ein entsprechender Ausgleich zu Stresssituationen muss geschaffen werden, um diese bestmöglich bewältigen zu können. Sportliche Aktivitäten, eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie ausreichend Schlaf sind die Basis für allgemeines Wohlbefinden;17 Hobbys oder Tätigkeiten, die gerne verrichtet werden, sowie Achtsamkeits- oder Entspannungstrainings sollten nach Feierabend ebenso wenig vernachlässigt werden. „Hauptsache, es gelingt, belastende Gedanken beiseitezuschieben“18, so die Psychologin Carmen Binnewies von der Universität Münster. Denn die Zeit, welche nach der täglichen Berufsausübung zur Verfügung steht, hat bedeutenden Stellenwert für die Regeneration, weswegen sie auch mit sinnstiftenden Aktivitäten verbracht werden sollte.19
Soziale Kontakte sind essenziell für ein gelungenes Stressmanagement.
Besondere Bedeutung hat vor allem das persönliche soziale Netzwerk. Zwar „wird oft unterschätzt, wie wichtig zwischenmenschliche Beziehungen bei psychischer Anspannung sind“20, wie Kaluza erklärt, aber gerade Freund*innen, Familie, Partner*in oder Nachbar*innen spenden Trost in angespannten Situationen und können bei der Problemlösung sowohl direkt durch Ratschläge als auch indirekt durch die bloße Anwesenheit helfen. Und Forscher*innen empfehlen speziell die Pflege der sozialen Kontakte zur Stressreduktion, denn eine an der University in Pittsburgh durchgeführte Studie konnte darlegen, dass Proband*innen, welche über ein loses soziales Netzwerk verfügten, eher zu Erkältungen neigten als Personen, die sich von ihren Mitmenschen unterstützt fühlten.21
Ziel soll es aber nicht sein, jede Stresssituation bestmöglich zu meiden, denn herausfordernde Situationen spornen auch dazu an, über sich selbst hinauszuwachsen. Von Wichtigkeit ist es jedoch, nicht unter ständiger Überbelastung zu stehen, damit sich Körper und Psyche wieder erholen können. Somit sollte der tägliche Feierabend nach anstrengenden Arbeitstagen mit sinnvollen Tätigkeiten und individuellen Hobbys gestaltet werden, die zudem die sozialen Kontakte umfassen. Denn der Gebrauch von mehreren Stressmanagement-Strategien verhilft zu mehr Gelassenheit, eröffnet neue und positive Sichtweisen auf bestehende Probleme und ermöglicht eine optimale Erholung von belastenden Ereignissen. Und nicht zuletzt wird so aktiv für die Aufrechterhaltung der körperlichen und psychischen Gesundheit gesorgt.
1 Retzbach, Joachim: Was hilft gegen Stress? In: spektrum.de. Veröffentlicht am 01.05.2018.
URL: https://www.spektrum.de/wissen/was-hilft-gegen-stress/1562092 [Stand: 09.08.2021].
2 Vgl. Hombach, Stella: Warum Stress auf Dauer krank macht. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 09.11.2018.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000090851999/warum-stress-auf-dauer-krank-macht [Stand: 09.08.2021].
3 Hombach, Stella: Warum Stress auf Dauer krank macht.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000090851999/warum-stress-auf-dauer-krank-macht [Stand: 09.08.2021].
4 Vgl. Hombach, Stella: Warum Stress auf Dauer krank macht.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000090851999/warum-stress-auf-dauer-krank-macht [Stand: 09.08.2021].
5 Vgl. Retzbach, Joachim: Was hilft gegen Stress?
URL: https://www.spektrum.de/wissen/was-hilft-gegen-stress/1562092 [Stand: 09.08.2021].
6 Retzbach, Joachim: Was hilft gegen Stress?
URL: https://www.spektrum.de/wissen/was-hilft-gegen-stress/1562092 [Stand: 09.08.2021].
7 Vgl. Retzbach, Joachim: Was hilft gegen Stress?
URL: https://www.spektrum.de/wissen/was-hilft-gegen-stress/1562092 [Stand: 09.08.2021].
8 Vgl. Kruckenhauser, Pia: Tag der Hängematte: Ein Loblied auf das Abhängen. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 22.07.2021.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000128361357/tag-der-haengematte-ein-loblied-auf-das-abhaengen [Stand: 09.08.2021].
9 Vgl. Hombach, Stella: Warum Stress auf Dauer krank macht.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000090851999/warum-stress-auf-dauer-krank-macht [Stand: 09.08.2021].
10 Vgl. pok: Stress im Job verkürzt Lebenszeit bei Männern. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 06.06.2018.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000080985794/stress-im-job-verkuerzt-lebenszeit-bei-maennern [Stand: 09.08.2021].
11 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Stressmanagement. Aktualisiert am 22.06.2017.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/stress/stressmanagement [Stand: 09.08.2021].
12 Redl, Bernadette: Psychologin über Stress: „Reiß dich zusammen“ – das ist die falsche Strategie. In: derstandard.at. Veröffentlicht am 04.07.2020.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000118450973/psychologin-ueber-stress-reiss-dich-zusammen-das-ist-die-falsche [Stand: 09.08.2021].
13 Hombach, Stella: Warum Stress auf Dauer krank macht.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000090851999/warum-stress-auf-dauer-krank-macht [Stand: 09.08.2021].
14 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Stressmanagement.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/stress/stressmanagement [Stand: 09.08.2021].
15 Redl, Bernadette: Psychologin über Stress: „Reiß dich zusammen“ – das ist die falsche Strategie.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000118450973/psychologin-ueber-stress-reiss-dich-zusammen-das-ist-die-falsche [Stand: 09.08.2021].
16 Vgl. Retzbach, Joachim: Was hilft gegen Stress?
URL: https://www.spektrum.de/wissen/was-hilft-gegen-stress/1562092 [Stand: 09.08.2021].
17 Vgl. Redl, Bernadette: Psychologin über Stress: „Reiß dich zusammen“ – das ist die falsche Strategie.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000118450973/psychologin-ueber-stress-reiss-dich-zusammen-das-ist-die-falsche [Stand: 09.08.2021].
18 Retzbach, Joachim: Was hilft gegen Stress?
URL: https://www.spektrum.de/wissen/was-hilft-gegen-stress/1562092 [Stand: 09.08.2021].
19 Vgl. Retzbach, Joachim: Was hilft gegen Stress?
URL: https://www.spektrum.de/wissen/was-hilft-gegen-stress/1562092 [Stand: 09.08.2021].
20 Retzbach, Joachim: Was hilft gegen Stress?
URL: https://www.spektrum.de/wissen/was-hilft-gegen-stress/1562092 [Stand: 09.08.2021].
21 Vgl. Retzbach, Joachim: Was hilft gegen Stress?
URL: https://www.spektrum.de/wissen/was-hilft-gegen-stress/1562092 [Stand: 09.08.2021].
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Veröffentlicht am: 29.09.2021