Psychische Erkrankungen als Herausforderung für Angehörige
Die psychische Erkrankung eines Menschen betrifft auch die Angehörigen. Damit ihr seelisches Wohlbefinden aufgrund der großen Belastung nicht selbst leidet, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden.
Besteht die Diagnose einer psychischen Erkrankung, so werden Betroffene vor völlig ungeahnte Herausforderungen gestellt. Oftmals beginnt damit nämlich ein langwieriger, beschwerlicher Weg, bis Symptome durch verschiedene Methoden zumindest gelindert werden können, bestenfalls eine Heilung in Aussicht gestellt wird. Während dieses Prozesses benötigen Erkrankte entsprechende Hilfe, nicht nur von Professionalist*innen, sondern auch von den engsten Vertrauten und Angehörigen. Vor allem sie sind es aber, denen dabei zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Angehörige brauchen ebenso Unterstützung.
Der Alltag mit jenen Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, kann stark fordern und zum Teil auch überfordern. Schon zu Beginn, wenn die Diagnose gestellt wird, kämpfen Angehörige mit den eigenen Emotionen in Form von Wut, Trauer, Angst, aber auch mit Schuldgefühlen.1 Und in einigen Fällen besteht zunächst auch Unverständnis für die Erkrankung: So ist es für manche Menschen beispielsweise kaum bis gar nicht nachvollziehbar, warum Menschen mit Depressionen morgens kaum aus dem Bett kommen, weswegen man sodann dazu neigen könnte, der-/demjenigen Faulheit zu unterstellen. Solche falschen Interpretationen begünstigen ein angespanntes Verhältnis zwischen betroffener und angehöriger Person, weswegen es auch von äußerster Wichtigkeit ist, die jeweilige Krankheit kennenzulernen.
Das Sammeln von Informationen und das Reden über die Krankheit sind wichtig, um Betroffene besser zu verstehen.
Mangelndes Wissen über die Erkrankung, die Symptome und den Verlauf können nämlich zu kommunikativen Missverständnissen und zu Frustration, zu Ärger und auch zu Enttäuschung vor allem bei Angehörigen führen. Und dies gilt es zu vermeiden, denn dadurch gestaltet sich die Situation auch für Betroffene noch schwieriger.2
Wenn Veränderungen im Verhalten auftreten oder bereits eine Diagnose besteht, so sollten Angehörige sich nicht davor scheuen, die/den Betroffenen darauf anzusprechen. Psychische Erkrankungen sind immer noch mit einem Stigma behaftet (siehe dazu der Blogbeitrag Voller Vorurteile – Das Stigma ‚Psychische Krankheit‘ »» vom 10.02.) und erst, wenn mit der Thematik ein offener Umgang gepflegt wird, können und wollen Betroffene auch über ihr Befinden sprechen, wodurch wiederum mehr Verständnis entgegengebracht werden kann.
Unterstützung für eine Verbesserung des Krankheitszustandes ist vonnöten.
Angehörige dürfen und sollten sich sogar dahin gehend mitteilen, dass sie sich Sorgen um die betroffene Person machen. Im Zuge dessen sollten sie ihre Hilfe beim Suchen nach geeigneten Anlaufstellen sowie bei der Organisation von Terminen bei Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen etc. anbieten und die/den Betroffene*n auf Wunsch begleiten. Und obwohl man dabei stets ermutigen sollte, darf Folgendes jedoch nicht vergessen werden – Angehörige sind nicht für die Heilung der betroffenen Person zuständig und sollten deswegen auch nicht die Verantwortung für den Behandlungsverlauf übernehmen.3
Deswegen ist es von großer Wichtigkeit, auch auf sich selbst zu achten.
Natürlich sind Verständnis sowie eine angemessene Anteilnahme unabdingbar, um Betroffenen zu suggerieren, dass sie mit ihrer Erkrankung nicht alleine gelassen werden. Dennoch sollten Angehörige auch Grenzen setzen, an welchen sich Betroffene orientieren können, welche aber auch dazu dienen, sich selbst vor einer zu großen psychischen Belastung zu schützen. Oftmals besteht nämlich die Problematik, dass Personen im Umfeld der/des Betroffenen der Ansicht sind, es dürfe ihnen auch nicht gut gehen. Diese falsche Annahme führt auch häufig dazu, dass die eigenen Bedürfnisse vernachlässigt werden, was sich wiederum auf das psychische Wohlbefinden auswirkt.4 Der Verein HPE Österreich rät deswegen dazu, sich auf die eigenen Energie- und Kraftquellen zu fokussieren und sich auch jenen Dingen und Tätigkeiten zuzuwenden, die solchen Belastungen vorbeugen.5
Der Austausch mit Gleichgesinnten hilft dabei ungemein.
Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen müssen sich vor Augen führen, dass sich auch viele andere in derselben Situation befinden. Dabei kann es von großer Hilfe sein, den Austausch mit ebendiesen Personen zu suchen, beispielsweise durch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. „Der Erfahrungsaustausch öffnet Schleusen“7, wie die Wiener Psychotherapeutin Antonia Croy berichtet. Und einen weiteren Vorteil bieten solche Selbsthilfegruppen: „Oftmals ergeben sich aus der Gruppenarbeit Freundschaften oder ehrenamtliches Engagement“8, berichtet Croy weiter. Somit ermöglichen Selbsthilfegruppen zum einen, die Erkrankung der/des Betroffenen und den Umgang mit der Krankheit aus einer anderen Perspektive zu betrachten, zum anderen eröffnet die gemeinsame Kommunikationsbasis auch einen intensiveren Kontakt zu Menschen, die ähnliche Umstände zu bewältigen haben, was auch zu neuen Bekanntschaften führt.
Im Generellen sollte Hilfe in Anspruch genommen werden, um einer zu großen Belastung vorzubeugen.
Neben Gesprächen mit Gleichgesinnten sollten Vertraute von Personen mit psychischen Erkrankungen auch nicht davor zurückscheuen, sich selbst professionelle Unterstützung zu suchen. Denn – wie bereits erwähnt – es ist keine Seltenheit, dass Angehörige aufgrund der großen Belastung in weiterer Folge selbst mit seelischen Problemen zu kämpfen haben. Auch das Aufsuchen von Beratungsstellen kann eine große Stütze dabei sein, mit der Situation besser umzugehen. Ein umfassendes Hilfsangebot für Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen bietet beispielsweise der Verein HPE:
Verein HPE – Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter Steiermark
Verschiedene Beratungsangebote durch Berater*innen und erfahrene Angehörige
T: +43 316 81 63 31
E: hpe-steiermark@hpe.at
W: www.hpe.at
In jedem Fall sollten Angehörige einen adäquaten Umgang mit Betroffenen pflegen, sie also bestmöglich unterstützen, dabei aber die eigenen Bedürfnisse nicht vollends vernachlässigen. So gilt es, diese Balance aufrechtzuerhalten, um selbst psychisch gesund zu bleiben. Denn nur dann, wenn das eigene Wohlbefinden unter der belastenden Situation nicht leidet, können Angehörige dazu beitragen, dass sich nahestehende Personen mit psychischen Erkrankungen gesundheitlich wieder stabilisieren.
1 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Angehörige von psychisch Erkrankten. Zuletzt aktualisiert am 28.09.2017.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/angehoerige-psychische-erkrankungen [Stand: 25.03.2021].
2 Vgl. Hegerl, Ulrich: Gemeinsam gegen die dunkle Wolke. In: spektrum.de. Veröffentlicht am 08.07.2020.
URL: https://www.spektrum.de/news/wie-hilft-man-einem-depressiven-angehoerigen/1737196 [Stand: 25.03.2021].
3 Vgl. Hegerl, Ulrich: Gemeinsam gegen die dunkle Wolke.
URL: https://www.spektrum.de/news/wie-hilft-man-einem-depressiven-angehoerigen/1737196 [Stand: 25.03.2021].
4 Vgl. Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Angehörige von psychisch Erkrankten.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/angehoerige-psychische-erkrankungen [Stand: 25.03.2021].
5 Vgl. HPE Österreich: für mich.
URL: https://www.hpe.at/information/fuer-mich.html [Stand: 08.04.2021].
6 Völker, Julia / Lüdemann, Dagny: Das Leid der anderen. In: zeit.de. Veröffentlicht am 17.09.2013.
URL: https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fwissen%2Fgesundheit%2F2013-08%2Fangehoerige-psychisch-kranker [Stand: 26.03.2021].
7 Pollack, Karin: Gut zureden führt zu gar nichts. In: derStandard.at. Veröffentlicht am 10.10.2012.
URL: https://www.derstandard.at/story/1348285502600/gut-zuzureden-fuehrt-zu-gar-nichts-psychische-erkrankungen-selbsthilfe [Stand: 25.03.2021].
8 Pollack, Karin: Gut zureden führt zu gar nichts.
URL: https://www.derstandard.at/story/1348285502600/gut-zuzureden-fuehrt-zu-gar-nichts-psychische-erkrankungen-selbsthilfe [Stand: 25.03.2021].
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Veröffentlicht am: 05.05.2021