Kunterbunte Lebenswelt

 

Farben können müde oder munter machen, traurig oder fröhlich stimmen, entspannen oder Unruhe verbreiten. Es empfiehlt sich also, einen genaueren Blick auf die Wirkungsweisen der gängigsten Farben zu werfen, um sie auch im Alltag unterstützend und gewinnbringend einzusetzen.

Ein wahres Farbspektakel begegnet uns jetzt in der Herbst-Natur nahezu überall – leuchtende Rot- und Gelbtöne unter strahlend blauem Himmel, dazu einige grüne und braune Farbtupfer. Und diese Farben wirken auf uns angenehm, wärmend, beruhigend. Aber warum hinterlassen die verschiedensten Farben solche Eindrücke? Und wie reagiert auch unsere Seele auf bestimmte Farbsettings?

Farbenpracht

Ein Rundum-Blick zeigt uns die schier unendliche Bandbreite an verschiedensten Farben und ihren Kombinationen mit anderen. Und unbewusst reagieren wir auf all diese Farben jederzeit und überall, denn sie „teilen uns etwas mit, sie ziehen uns an oder stoßen uns ab, sie beruhigen oder warnen uns. Wir brauchen sie zum Überleben“1, wie der deutsche Farbforscher Axel Buether erklärt. Exemplarisch soll hier die Farbe Rot angeführt werden, denn beispielsweise im Straßenverkehr dient sie uns als wichtiges Gefahren- oder Warnsignal. Wir reagieren auf sie mit erhöhter Aufmerksamkeit und sind schlagartig wacher.2

Visuelle und biochemische Farbverarbeitung

Und nicht nur Rot hat eine bestimmte Wirkung auf uns Menschen, sondern auch alle anderen Farben verfügen über latente Effekte, die dazu führen können, dass sogar das eigene körperliche und psychische Wohlbefinden gesteigert oder stärker belastet wird: „Farbe ist ein atmosphärischer Umweltfaktor, der uns müde, lustlos und krank machen kann oder auch wach, aktiv und gesund“3, so Buether. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Farbeindrücke nicht nur visuell über den Sehsinn verarbeitet werden, sondern auch über lichtempfindliche Hautsensoren: Farben entstehen im Grunde durch die unterschiedlichen Wellenlängen von Licht, welche vom Auge verarbeitet werden. Und weil Licht auch gleichzeitig auf den Körper trifft und über die Haut aufgenommen wird, greift dieses mit den wahrgenommenen Farben auf verschiedenste biochemische Prozesse ein. Farben können so den Herzschlag beschleunigen, die Atemfrequenz erhöhen oder auch den Blutdruck senken und für Entspannung sorgen.4

Bunt vs. farblos

Demgemäß scheint es auch nicht verwunderlich, dass Farben unbewusst als angenehm oder als Störfaktor empfunden werden, wie auch verschiedenste empirische Studien belegen konnten.5 Sie nehmen also enormen Einfluss auf persönliche Empfindungen und „prägen […] die Selbst- und Umweltwahrnehmung eines jeden Menschen“6, so Buether.

Manchmal kann die Farbwahrnehmung aber einer messbaren Veränderung unterliegen bzw. gestört sein: Neben diversen Sinnesstörungen können auch psychische Probleme bzw. Krankheiten dazu führen, dass alles ‚farbloser‘ erscheint. So zeigen Untersuchungen beispielsweise, dass Menschen mit depressiver Verstimmung bzw. Depressionen Kontraste oder bestimmte Farbtöne nicht mehr so gut erkennen können.7 Damit verlieren sie folglich auch ihre spezifischen Wirkungsweisen.

Die Farbenlehre als Therapieform

Farben nehmen aber nicht nur Einfluss auf den Menschen und ‚verblassen‘ je nach Gefühlslage, sondern können auch als Hilfsmittel dazu dienen, die aktuell vorherrschenden Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Durch diesen binären Effekt erstaunt es auch nicht, dass entsprechende Therapieformen als begleitende Maßnahmen Eingang in die Behandlung von vorwiegend seelischen Beschwerden gefunden haben. Vor allem die Mal- und Farbtherapie wird häufiger bei Depressionen, im Zuge der Traumabewältigung und in der therapeutischen Behandlung von Kindern ergänzend zu herkömmlichen, anerkannten Therapieverfahren eingesetzt. Dabei steht das ‚intuitive Schaffen‘ im Vordergrund: Patient*innen setzen sich beispielsweise kreativ mit der eigenen Umwelt auseinander, wodurch Probleme besser benannt und Verhaltens- oder Leistungsstörungen genauso wie Störungen die Sprachfähigkeit bzw. Kommunikation betreffend behoben werden können.8 Wissenschaftlich belegt sind entsprechende farbtherapeutische Maßnahmen – obwohl diese erfolgreich eingesetzt werden –, noch nicht zur Gänze, aber abgestritten werden die positiven sowie negativen Wirkmechanismen der bunten Umwelt und ihre Einflüsse auf den Menschen keinesfalls, genauso wenig erfolgversprechende therapeutische Ansätze dahin gehend .9

Farben bewusst einsetzen

Buether rät im Generellen dazu, sich intensiver mit dem breiten Farbspektrum auseinanderzusetzen, denn „[w]er die Macht der Farben für sein Leben sinnvoll nutzen möchte, sollte von ihren jeweiligen Wirkungen wissen. Begleitet von den richtigen Farben fühlt man sich wohler und lebt gesünder, ist wacher und aufmerksamer, denkt und lernt konzentrierter und kommt schneller zur Ruhe“10. Somit sollte man auch im Alltag ein stärkeres Augenmerk auf umgebende Farbelemente legen und sich selbst die positiven Aspekte entsprechender Farbkombinationen zunutze machen:11

  • Die Farbe Orange regt gemäß wissenschaftlichen Untersuchungen nachweislich die Dopamin-Ausschüttung an. Dadurch hebt sich die Laune und die Motivation steigert sich.
  • Obwohl rote Farbtöne bekanntlich auf Gefahrensituationen aufmerksam machen, können verschiedenste Töne dieser Farbe das Wohlgefühl und auch die Energie steigern. Deswegen kommen Rottöne bei Müdigkeit sowie Lethargie häufiger zum Einsatz.
  • Violette Akzente in diversen Ausprägungen steigern die Lebenslust.
  • Gelb hebt nicht nur das Selbstvertrauen und sorgt für eine positive Gemütslage, sondern kann auch gemäß empirischen Studien Ängste hemmen sowie Unlustgefühle abbauen.
  • Weil Grün die Entfaltung und das Wachstum symbolisiert und damit das Leben zelebriert, fördert diese Farbe die Ausschüttung von Glückshormonen.
  • Blaue Farben regen die Leistungsfähigkeit sowie die Kreativität an. Weil Blau auch beruhigend wirkt, wird die Farbe bei Schlafproblemen, Unruhe, Nervosität oder Aggressionen eingesetzt.

Obwohl evidenzbasierte Studien zum effektiven medizinischen sowie psychotherapeutischen Einsatz noch fehlen, werden die bestimmten Wirkungsweisen der diversen Farben auf den Körper und die Psyche des Menschen keinesfalls verneint, im Gegenteil – ein gezielter Einsatz bestimmter Farben kann einen nachweislich positiven Effekt auf innerphysische und psychische Vorgänge haben. Damit ist es auch lohnenswert, sich mit dem vielfältigen Farbspektrum näher auseinanderzusetzen und im Alltag methodisch Farbakzente zu setzen.

 


1 AOK Gesundheitsmagazin: 13 Farben: Ihre psychologische Wirkung. In: aok.de. Veröffentlicht am 17.06.2021.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/13-farben-ihre-psychologische-wirkung/ [Stand: 11.08.2022].

2 Vgl. AOK Gesundheitsmagazin: 13 Farben: Ihre psychologische Wirkung.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/13-farben-ihre-psychologische-wirkung/ [Stand: 11.08.2022].

3 AOK Gesundheitsmagazin: 13 Farben: Ihre psychologische Wirkung.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/13-farben-ihre-psychologische-wirkung/ [Stand: 11.08.2022].

4 Vgl. AOK Gesundheitsmagazin: 13 Farben: Ihre psychologische Wirkung.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/13-farben-ihre-psychologische-wirkung/ [Stand: 11.08.2022] und
vgl. wissenschaft im dialog / Schanzenbach, Dirk: Was ist Farbe und wie entsteht sie? Warum ist beispielsweise eine Tomate rot? In: wissenschaft-im-dialog.de. Veröffentlicht am 29.04.2008.
URL: https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wieso/artikel/beitrag/was-ist-farbe-und-wie-entsteht-sie-warum-ist-beispielsweise-eine-tomate-rot/ [Stand: 11.08.2022].

5 Vgl. AOK Gesundheitsmagazin: 13 Farben: Ihre psychologische Wirkung.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/13-farben-ihre-psychologische-wirkung/ [Stand: 11.08.2022] und
vgl. Mocker, Daniela: Traurigkeit beeinflusst die Farbwahrnehmung. In: spektrum.de. Veröffentlicht am 03.09.2015.
URL: https://www.spektrum.de/news/traurigkeit-beeinflusst-die-farbwahrnehmung/1364347 [Stand: 11.08.2022].

6 AOK Gesundheitsmagazin: 13 Farben: Ihre psychologische Wirkung.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/13-farben-ihre-psychologische-wirkung/ [Stand: 11.08.2022].

7 Vgl. wissenschaft im dialog / Schanzenbach, Dirk: Was ist Farbe und wie entsteht sie? Warum ist beispielsweise eine Tomate rot?
URL: https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wieso/artikel/beitrag/was-ist-farbe-und-wie-entsteht-sie-warum-ist-beispielsweise-eine-tomate-rot/ [Stand: 11.08.2022] und
vgl. Mocker, Daniela: Traurigkeit beeinflusst die Farbwahrnehmung.
URL: https://www.spektrum.de/news/traurigkeit-beeinflusst-die-farbwahrnehmung/1364347 [Stand: 11.08.2022].

8 Vgl. Spektrum.de: Maltherapie. Lexikon.
URL: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/maltherapie/9113 [Stand: 11.08.2022] und
vgl. Adam, Miriam: Farbtherapie – Wirkung und Anwendung. In: heilpraxisnet.de. Veröffentlicht am 03.11.2021.
URL: https://www.heilpraxisnet.de/ganzheitliche-medizin/farbtherapie-behandlungsmethoden-und-wirkung/ [Stand: 11.08.2022].

9 Vgl. Adam, Miriam: Farbtherapie – Wirkung und Anwendung.
URL: https://www.heilpraxisnet.de/ganzheitliche-medizin/farbtherapie-behandlungsmethoden-und-wirkung/ [Stand: 11.08.2022].

10 AOK Gesundheitsmagazin: 13 Farben: Ihre psychologische Wirkung.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/13-farben-ihre-psychologische-wirkung/ [Stand: 11.08.2022].

11 Vgl. Oberberg: Die Macht der Farben – Farb- und Lichttherapie als Heilmittel. In: oberbergkliniken.de.
URL: https://www.oberbergkliniken.de/artikel/die-macht-der-farben [Stand: 11.08.2022] und
vgl. AOK Gesundheitsmagazin: 13 Farben: Ihre psychologische Wirkung.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/entspannung/13-farben-ihre-psychologische-wirkung/ [Stand: 11.08.2022].

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Veröffentlicht am: 09.11.2022