Kritik auf höchstem Niveau

 

Werden wir kritisiert, hören wir manches Mal auch deutliche Vorwürfe aus dem Gesagten heraus. Doch wie gehen wir mit Kritik richtig um und wie können wir selbst Kritik üben, ohne zu verletzen?

„Jetzt hast du den Abwasch schon wieder nicht erledigt“, „Warum muss ich jedes Mal so lange auf dich warten?“ oder „Das Ergebnis Ihrer Arbeit ist mangelhaft, obwohl Sie so viel Zeit für den Arbeitsauftrag hatten“ – Phrasen, die voller Kritik stecken und damit kränken können. Denn kritische Äußerungen sind für die/den Empfänger*in niemals angenehm. Doch wie kann Kritik geäußert werden, sodass die Botschaft frei von offenen oder latenten Beleidigungen übermittelt wird und in weiterer Folge die Mitmenschen nicht verletzt werden?

Die Kunst des Kritisierens

Obwohl jede*r von uns neben Stärken auch über Schwächen verfügt, tut es weh, konkret auf die persönliche Fehlbarkeit – ob im Berufs- oder im Privatleben – hingewiesen zu werden. Doch „Kritik schmerzt besonders stark, wenn sie als Angriff auf die Person wahrgenommen wird“1, wie die Mannheimer Psychologin Doris Wolf erklärt. Dabei ist Kritik bzw. das Kritisieren ein unerlässliches kommunikatives Instrument, welches im Grunde dazu beitragen soll, ein besseres Zusammenleben zu ermöglichen.2 Wenn aber die neben der Kritik auftretende Tonalität zusammen mit der Wortwahl unglücklich ausfällt, kann dies zu einer massiven Kränkung des Gegenüber führen.3

Unangebrachtes Kritisieren schadet der Seele

Ist man ständiger unverhältnismäßiger Kritik ausgesetzt und nimmt man sich diese zudem noch stark zu Herzen, dann kann die daraus resultierende Kränkung zu wachsendem Unmut, zu Ärger und Wut führen, im schlimmsten Fall sogar zu Depressionen.4 Wolf weiß, woran es liegt, dass die Kritik an uns krankmachen kann: „Wenn wir uns unserer Fähigkeiten und Werte nicht bewusst oder überzeugt sind, ist jede Kritik eine Waffe, die uns leicht und schnell verletzen kann“5. Damit Kritik also nicht ständig zu Kränkungen führt, steht im Vordergrund, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken.6 Untersuchungen dahin gehend ergaben nämlich, dass jene Personen, die über ein gesundes Selbstvertrauen verfügen, besser mit Kritik umgehen können als Menschen mit niedrigem Selbstwert – diese fühlen sich schnell bedroht und persönlich angegriffen.7

Konstruktives Kritisieren will gelernt sein

Im Generellen gilt jedoch Folgendes: Kritik auf einem konstruktiven Niveau dient im Grunde dazu, etwas für sich selbst zu lernen und eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern, womit sie ein eigentlich wünschenswertes Kommunikationsinstrument ist. Damit Kritik ebendiesen Effekt erzielt, ist es wichtig, an der eigenen Kritikfähigkeit zu arbeiten.8 Zum einen bedeutet dies, zu lernen, Kritik auf konstruktivem Level anzunehmen, und zum anderen, sich Methoden für das adäquate Kritiküben anzueignen. Denn kritisiert man unverhältnismäßig und in einem falschen Ton mit misslungener Wortwahl, muss davon ausgegangen werden, das die Kritik nicht ‚gehört‘ wird, wie die Karrieretrainerin aus München, Gitte Härter, erläutert: „Will ich dem anderen eins reinwürgen, oder willl ich etwas erreichen?“9. Trifft Ersteres zu, ist davon auszugehen, dass die Kritik beim Gegenüber nicht ankommt, dieser im Grunde nur gekränkt reagiert. Will man mit der Kritik jedoch etwas erreichen, beispielsweise eine Verhaltensänderung oder eine bessere Arbeitsauftragsausführung, dann muss auf ihre Verbalisierung genau geachtet werden. Auch das Hinterfragen, wie man diese Kritik selbst aufnehmen würde, kann dabei helfen, sie konstruktiver zu formulieren, sobald sie an die/den tatsächliche*n Adressat*in gerichtet wird.10

Tipps zum Erlernen einer adäquaten Kritikfähigkeit

Somit gibt es hinsichtlich des konstruktiven Kritikübens – eine gelungene und niveauvolle Wortwahl ohne die Provozierung von Streit, um eine situationsbedingte Änderung herbeizuführen – einige Aspekte, die man berücksichtigen muss. Auch dann, wenn man in der Position der kritisierten Person steht, helfen diese Methoden dabei, festzustellen, ob die Kritik konstruktiver Natur ist und das Kritisierte damit dabei helfen kann, eine Verbesserung herbeizuführen, oder ob die Kritik unverhältnismäßig ist:11

  • Kritik klar und verständlich formulieren
    Wenn man eine konkrete Situation ohne Verallgemeinerung schildert, in welcher das zu kritisierende Element aufgetreten ist, dann kann der Kritikpunkt besser aufgenommen und damit eine Verhaltensänderung erzielt werden. Beispiel hierfür wäre eine Aussage wie „Ich empfinde es als unangenehm, wenn du mich ständig – wie auch jetzt soeben – unterbrichst.“
  • Ich-Botschaften vermitteln
    Und damit wird sogleich ein weiterer wichtiger Punkt angeführt, nämlich das Formulieren von Ich-Botschaften: Das Schildern von persönlichen Empfindungen anstatt die Verwendung von „Du“ oder „Sie“ kann verhindern, dass die Kritik als Anschuldigung aufgefasst und vonseiten der/des Kritisierten Rechtfertigungen eingeworfen oder weiterführende Diskussionen gestartet werden. Also anstatt zu sagen, „Du unterbrichst mich immer“, ist eine Formulierung wie „Ich finde es störend und unangenehm, von dir unterbrochen zu werden“ eher zu wählen.
  • Zuerst nachdenken, dann kritisieren
    Empfindet man ein Verhalten oder eine Situation als ärgerlich, sollte man sich seiner Wut nicht sogleich Luft machen, da in diesem Fall die Kritik nicht konstruktiv ausfallen könnte. Empfohlen wird, ‚eine Nacht darüber zu schlafen‘, um den notwendigen Abstand zum Sachverhalt bekommen zu können und um sodann am nächsten Tag auf das Fehlverhalten wirkungsvoll und wertschätzend ohne zu emotionsgeladen aufmerksam zu machen.
  • Trotzdem mit der Kritik nicht zu lange warten
    Denn dann kann es passieren, dass sich die zu kritisierende Person nicht mehr konkret an die entsprechende Situation erinnert, in welcher sie sich unangebracht verhalten hat, womit auch ein möglicher Lerneffekt ausbleiben könnte.
  • Verbesserungsvorschläge machen
    Von großer Wichtigkeit ist es, dass man nicht nur kritisiert und Anschuldigungen erhebt, sondern auch Verbesserungsvorschläge macht. Zu sagen, „Der Arbeitsauftrag ist nicht gelungen“, wäre in diesem Fall für die/den Kritisierte*n nicht wertvoll. Erläutert man aber, warum dieser nicht zufriedenstellend ausgefallen ist und gibt man Tipps bzw. bringt man Anregungen ein, wie man die Arbeit besser machen kann, wird die Kritik eher angenommen und nicht als Angriff aufgefasst.
  • Mit Fragen zum Nachdenken anregen
    Möchte man mit der Kritik eine situationsbedingte Verbesserung erzielen, ist es sinnvoll, die zu kritisierende Person selbst zu fragen, wie sie es zukünftig besser machen könnte, beispielweise „Wie, meinst du, könnnen wir dies beim nächsten Mal anders machen?“ oder „Wie können wir eine solche Situation deiner Meinung nach das nächste Mal vermeiden?“.

Im Generellen gilt also, dass sich Kritik ausschließlich auf eine Situation bzw. auf ein Verhalten beziehen soll, niemals direkt auf die Person selbst, womit weiterführende Konflikte oder Kränkungssituationen ausbleiben. Das Einhalten einer sachlichen Kritikebene ist deswegen von essenzieller Bedeutung, auch dann, wenn das eigene Verhalten zum Kritikpunkt wird. Zwar sind Verteidigungsmechanismen in solchen Situationen von normaler Natur, aber mit einem ausdrücklichen und niveauvollen Argumentieren der Kritik kann schließlich ein beiderseitiger Konsens gefunden werden.12

Kritik sollte deswegen in erster Linie immer als eine Verbesserungsmöglichkeit gesehen werden. Nimmt sich die kritisierte Person jedoch auch konstruktive Kritik sehr stark zu Herzen, indem sie beispielsweise aggressiv reagiert, wird eher empfohlen, die Unterhaltung abzubrechen, womit nicht die Gefahr besteht, dass die Diskussion ein niveauloses Level erreicht.13 Eignet man sich also eine adäquate Kritikfähigkeit an – sowohl Kritik konstruktiv und auf förderndem Niveau üben als auch Kritik reflektierend annehmen –, kann einerseits ein Lerneffekt einsetzen und andererseits eine mögliche kränkende Situation vermieden werden, womit gleichzeitig die psychische Gesundheit in Balance bleibt.

 


1 Eckert, Till: Wie wir kritisieren, ohne zu verletzen. In: zeit.de. Veröffentlicht am 18.03.2017.
URL: https://www.zeit.de/zett/2017-03/wie-wir-kritisieren-ohne-zu-verletzen [Stand: 15.06.2022].

2 Vgl. Eckert, Till: Wie wir kritisieren, ohne zu verletzen.
URL: https://www.zeit.de/zett/2017-03/wie-wir-kritisieren-ohne-zu-verletzen [Stand: 15.06.2022].

3 Vgl. Eckert, Till: Wie wir kritisieren, ohne zu verletzen.
URL: https://www.zeit.de/zett/2017-03/wie-wir-kritisieren-ohne-zu-verletzen [Stand: 15.06.2022].

4 Vgl. Eckert, Till: Wie wir kritisieren, ohne zu verletzen.
URL: https://www.zeit.de/zett/2017-03/wie-wir-kritisieren-ohne-zu-verletzen [Stand: 15.06.2022].

5 Eckert, Till: Wie wir kritisieren, ohne zu verletzen.
URL: https://www.zeit.de/zett/2017-03/wie-wir-kritisieren-ohne-zu-verletzen [Stand: 15.06.2022].

6 Lesen Sie mehr darüber, wie Sie Ihr Selbstbewusstsein stärken, in unserem Blogbeitrag „Bewusst selbstbewusst“ »» vom 27.04.2022.

7 Vgl. o.A.: Umgang mit Kritik. In: focus.de. Veröffentlicht am 25.08.2013.
URL: https://www.focus.de/wissen/mensch/sprache/englisch-sprachkurs/der-ewige-verlierer-persoenlichkeit_id_2239774.html [Stand: 15.06.2022].

8 Vgl. Eckert, Till: Wie wir kritisieren, ohne zu verletzen.
URL: https://www.zeit.de/zett/2017-03/wie-wir-kritisieren-ohne-zu-verletzen [Stand: 15.06.2022].

9 Heimann, Andreas: Kritik konstruktiv zu üben, will gelernt sein. In: welt.de. veröffentlicht am 02.08.2010.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article8778142/Kritik-konstruktiv-zu-ueben-will-gelernt-sein.html [Stand: 15.06.2022].

10 Vgl. Heimann, Andreas: Kritik konstruktiv zu üben, will gelernt sein.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article8778142/Kritik-konstruktiv-zu-ueben-will-gelernt-sein.html [Stand: 15.06.2022].

11 Vgl. Eickholt, Jana: Konstruktive Kritik: Das ist der Schlüssel, um Menschen zum Nachdenken anzuregen. In: wmn.de. Veröffentlicht am 02.03.2022.
URL: https://www.wmn.de/health/psychologie/konstruktive-kritik-umsetzen-tipps-id45693 [Stand: 15.06.2022],
vgl. o.A.: Umgang mit Kritik.
URL: https://www.focus.de/wissen/mensch/sprache/englisch-sprachkurs/der-ewige-verlierer-persoenlichkeit_id_2239774.html [Stand: 15.06.2022],
vgl. Kruthaup, Kristin: Wie man am besten konstruktive Kritik anbringt. In: welt.de. Veröffentlicht am 13.08.2013.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article118972616/Wie-man-am-besten-konstruktive-Kritik-anbringt.html [Stand: 15.06.2022] und
vgl. Osthoff, Andrea: 7 Tipps, wie Sie Probleme konstruktiv ansprechen. In: focus.de. Veröffentlicht am 17.11.2017.
URL: https://www.focus.de/finanzen/experten/kritik-aeussern-7-tipps-wie-sie-probleme-konstruktiv-ansprechen_id_7861865.html [Stand: 15.06.2022].

12 Vgl. Eickholt, Jana: Konstruktive Kritik: Das ist der Schlüssel, um Menschen zum Nachdenken anzuregen.
URL: https://www.wmn.de/health/psychologie/konstruktive-kritik-umsetzen-tipps-id45693 [Stand: 15.06.2022]

13 Vgl. Eckert, Till: Wie wir kritisieren, ohne zu verletzen.
URL: https://www.zeit.de/zett/2017-03/wie-wir-kritisieren-ohne-zu-verletzen [Stand: 15.06.2022].

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Veröffentlicht am: 20.07.2022