Der Trend des ‚Waldbadens‘ als Mehrwert für die Psyche
Dass ein Spaziergang an der frischen Luft dem Körper und der Seele guttut, ist bekannt. Vor allem soll aber die Bewegung in Wäldern heilende Wirkung haben. Was genau steckt jedoch hinter dem zunehmend beliebteren Phänomen des sogenannten Waldbadens?
Nach einem langen Winter erfreuen wir uns im Frühjahr der mannigfaltigen Blumenpracht, die sich jetzt schon in einer kunterbunten Vielfalt präsentiert. Und auch in den Wäldern sind die positiven Veränderungen der Jahreszeit nun deutlich sichtbar: Die Blätter, welche sich immer mehr zu voller Größe ausbilden, vertreiben zunehmend den tristen Anblick von kahlen Ästen an den Bäumen und das satte Grün kommt immer mehr zum Vorschein. Es ist also Zeit, sich wieder mehr im Freien zu bewegen und speziell ein ausgiebiger Spaziergang im Wald soll hierbei bevorzugt werden, denn diesem werden ‚heilende Kräfte‘ nachgesagt.
Das Waldbaden steht hoch im Kurs.
Dieser Trend, ursprünglich aus Japan kommend, hat Europa nun vollends erreicht und die positive Wirkung des Waldes auf den Körper ist unbestritten: Die Luftqualität im Wald ist für den Körper vor allem für all jene, welche ihren Wohnsitz in einer urbanen Umgebung haben, äußerst wohltuend, denn Waldluft enthält ca. 90 % weniger Staubpartikel als jene in der Stadt.1 Auch der kühlende Effekt an heißen Sommertagen auf den menschlichen Organismus ist unbestritten und die Vielfalt an Mikroorganismen stärkt das Immunsystem nachhaltig.
Doch das Waldbaden soll noch zahlreiche weitere positive Einflüsse auf Körper und Seele haben. Von Stressreduktion, vom Vertreiben von Angespanntheit und vom unbewussten Energie-Tanken ist oftmals die Rede. Und die an der Universität Wien tätige Umweltpsychologin Renate Cervinka konnte gemeinsam mit Kolleg*innen anhand von Untersuchungen nachweisen, dass im Wald das Herz messbar ruhiger schlägt, der Blutdruck sinkt und die Muskulatur merklich entspannt.2 Weitere Studien belegen sogar, dass das Wohnen in Waldnähe bzw. in Waldgebieten das Risiko verringert, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln oder sogar an einer Krebserkrankung zu sterben.3
Wodurch entsteht jedoch die positive Wirkung des Waldes auf den Körper?
Diese Frage beschäftigt die Wissenschaft nach wie vor, jedoch gibt es bereits erste Anhaltspunkte, warum das Immunsystem im Wald gestärkt wird. Mit einer Studie konnten Forscher*innen der Nippon Medical School in Tokio nachweisen, dass das Verweilen im Wald für einen Tag dazu führt, dass sogenannte Killerzellen4 im Blut um bis zu 50 % ansteigen und auch noch eine Woche lang vorhanden bleiben.5 In Laborversuchen erkannte man dabei, dass diese Killerzellen durch die im Wald vorkommenden Phytonzyden in ihrer Tätigkeit angeregt wurden. Diese umfassen all jene Substanzen, die von Bäumen produziert werden, um vor Krankheitserregern geschützt zu sein.6
Und nicht nur der Organismus reagiert positiv auf den Wald, sondern auch die Psyche.
Das Lösen von Angespanntheit sowie die Energiegewinnung wurden bereits als positive Einflüsse auf die Psyche genannt. Aber das Waldbaden vermag noch viel mehr als das: Die unterschiedlichen Sinneseindrücke im Wald wie das Rauschen der Blätter oder das Zwitschern der Vögel genauso wie der Geruch, ausgehend von Nadelbäumen, stimulieren gemäß dem österreichischen Biologen Clemens Arvay die Aktivität des Parasympathikus,7 also des Ruhenervs, der zum vegetativen Nervensystem gehört.8 Dieser sei für Erholung und Regeneration verantwortlich und damit das ausgleichende Element zum Sympathikus, welcher beispielsweise im hektischen Stadtleben rege aktiv sei.9
Und dass Stress bei einem Waldspaziergang reduziert wird, hängt unter anderem mit einer abnehmenden Konzentration des Stresshormons Kortisol zusammen. Mittels einer Studie konnte festgestellt werden, dass Proband*innen, die in der Nähe eines Waldes oder sogleich in ihm verweilten, deutlich weniger Kortisol aufwiesen als all jene, welche sich in einer städtischen Umgebung aufhielten. Des Weiteren senkte sich bei den Wald-Studienteilnehmer*innen der Blutstrom im präfrontalen Cortex, dem Teil des Gehirns, welcher bei Konzentration gefordert wird. Mit dessen Entspannung und der gleichzeitigen Verlagerung von Gehirnaktivitäten in andere Bereiche geht ein allgemeines Ruheempfinden einher, sodass Stress gelöst wird.10 Diese Wirkung wurde von Proband*innen weiterer Studien auch bestätigt: Nach kurzer Zeit hätte man weniger gegrübelt, sondern sich mit der Umgebung beschäftigt, wodurch sich die allgemeine Stimmungslage gebessert hätte. Man empfände nach dem Aufenthalt im Wald weniger Angst und Unruhe und würde sich stärker fühlen.11 Das Waldbaden wird auch als wirkungsvolle Methode gegen Burnout-Erkrankungen genannt; auch Depressionen sollen dadurch zumindest gelindert werden können.12
Beim Waldbaden geht es also darum, dem hektischen Treiben zu entkommen und Ruhe zu finden.
Wegen des bewussten Eintauchens in die friedvolle Umgebung des Waldes dient das Waldbaden mittlerweile auch als beliebte Stress-Management-Methode. Motivator für einen achtsamen Spaziergang sowie Atem- oder Meditationsübungen ist vor allem die Flucht vor jenen Reizen, welchen man im Alltag ständig ausgesetzt ist. Die dadurch allgemeine und zwangsläufig auftretende mentale Erschöpfung wird durch das Besinnen auf wenige äußere Einflüsse wie Vogelgesang oder das Rauschen von Blättern und Bächen reduziert. Der Fokus wird im Wald auf die Sinneseindrücke gelegt, die stimulierend anstatt ermüdend wirken, wodurch ein wohltuender Ausgleich geschaffen wird.13
Ein Waldspaziergang lohnt sich also in vielerlei Hinsicht. Nicht nur, dass damit der Organismus auf Trab gebracht wird – auch das psychische Wohlbefinden wird in der stillen Umgebung maßgeblich gesteigert. Stressreduktion, ein Entkommen von ständigen umweltbedingten Reizen und das nachhaltige und bewusste Schaffen von Entspannung sind nämlich wichtige Faktoren, um langfristig psychisch gesund zu bleiben. Somit ist das Waldbaden ein noch relativ neuer, aber schon jetzt willkommener Trend, den es gilt, intensiver zu verfolgen.
1 Vgl. o.A.: Wissenswertes rund um die Heilkraft des Waldes. In: ndr.de. Veröffentlicht am 01.04.2020.
URL: https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Wissenswertes-rund-um-die-Heilkraft-des-Waldes,wald806.html [Stand: 22.03.2021].
2 Vgl. Jiménez, Fanny / Schiek, Helen: Nur fünf Minuten im Wald stärken Ihr Selbstbewusstsein. In: WeLT.de. Veröffentlicht am 19.04.2016.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/article154517284/Nur-fuenf-Minuten-im-Wald-staerken-Ihr-Selbstbewusstsein.html [Stand: 22.03.2021].
3 Vgl. Jiménez, Fanny / Schiek, Helen: Nur fünf Minuten im Wald stärken Ihr Selbstbewusstsein.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/article154517284/Nur-fuenf-Minuten-im-Wald-staerken-Ihr-Selbstbewusstsein.html [Stand: 22.03.2021].
4 Killerzellen, genauer Natural-Killerzellen, sind jene Zellen des Immunsystems, welche all jene Zellen erkennen, die von Krankheitserregern inklusive Krebs befallen sind, und diese in weiterer Folge zerstören.
Vgl. dazu: Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Natural-Killerzellen. Zuletzt aktualisiert am 06.07.2017.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/labor/laborwerte/immunsystem/labor-nk-zellen-lymphozyten-relativ-absolut1 [Stand: 22.03.2021].
5 Vgl. Jiménez, Fanny / Schiek, Helen: Nur fünf Minuten im Wald stärken Ihr Selbstbewusstsein.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/article154517284/Nur-fuenf-Minuten-im-Wald-staerken-Ihr-Selbstbewusstsein.html [Stand: 22.03.2021].
6 Vgl. Jiménez, Fanny / Schiek, Helen: Nur fünf Minuten im Wald stärken Ihr Selbstbewusstsein.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/article154517284/Nur-fuenf-Minuten-im-Wald-staerken-Ihr-Selbstbewusstsein.html [Stand: 22.03.2021].
7 Vgl. o.A.: Wissenswertes rund um die Heilkraft des Waldes.
URL: https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Wissenswertes-rund-um-die-Heilkraft-des-Waldes,wald806.html [Stand: 22.03.2021].
8 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs – Lexikon: Parasympathikus.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/lexikon/p/lexikon-parasympathikus-hk [Stand: 22.03.2021].
9 Vgl. o.A.: Wissenswertes rund um die Heilkraft des Waldes.
URL: https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Wissenswertes-rund-um-die-Heilkraft-des-Waldes,wald806.html [Stand: 22.03.2021].
10 Vgl. Naturwald Akademie: Wie der Wald Menschen nachweislich heilt.
URL: https://naturwald-akademie.org/waldwissen/gesundes-und-genuss-aus-dem-wald/wie-der-wald-menschen-nachweislich-heilt/ [Stand: 22.03.2021].
11 Vgl. Naturwald Akademie: Wie der Wald Menschen nachweislich heilt.
URL: https://naturwald-akademie.org/waldwissen/gesundes-und-genuss-aus-dem-wald/wie-der-wald-menschen-nachweislich-heilt/ [Stand: 22.03.2021].
12 Vgl. Pumhösel, Alois: Wie Wald auf unsere Gesundheit wirkt. In: derStandard.at. Veröffentlicht am: 14.04.2020.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000116617740/wie-wald-auf-unsere-gesundheit-wirkt [Stand: 22.03.2021].
13 Vgl. Jiménez, Fanny / Schiek, Helen: Nur fünf Minuten im Wald stärken Ihr Selbstbewusstsein.
URL: https://www.welt.de/gesundheit/article154517284/Nur-fuenf-Minuten-im-Wald-staerken-Ihr-Selbstbewusstsein.html [Stand: 22.03.2021].
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Veröffentlicht am: 21.04.2021