Bildung + Wissen = psychische Gesundheit

 

Sich aus- oder weiterzubilden bedeutet, neugierig zu bleiben, sich Wissen anzueignen und so die Umwelt verstehen zu wollen bzw. können. Doch wie hängt dieses Verständnis mit der Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit zusammen?

Mit unseren 10 Schritten für psychische Gesundheit machen wir stets darauf aufmerksam, welche Faktoren dazu beitragen, das seelische Wohlbefinden in Balance zu halten. Einer dieser 10 Schritte – Neues lernen. Was genau steckt jedoch dahinter, dass die Wissenserweiterung offenbar maßgeblich zur psychischen Gesundheit beiträgt? Und im Allgemeinen stellt sich die Frage – nimmt der Bildungsgrad tatsächlich so großen Einfluss auf das seelische Gleichgewicht?

Bildung als elementarer Faktor für psychische Gesundheit

Zunächst ist anzumerken, dass sich die psychische Gesundheit aus verschiedensten Aspekten – wie es auch unsere 10 Schritte suggerieren – zusammensetzt. Dazu zählen aus wissenschaftlicher Perspektive neben biologischen Faktoren (genetische Veranlagung sowie Geschlecht) individuelle Entitäten wie eigene Erfahrungen, familiäre und soziale wie auch wirtschaftliche Faktoren genauso wie Einflüsse die soziale Stellung betreffend – und damit nicht zuletzt der Bildungsgrad.1

Neugier befriedigen

Doch womit genau hängt dies zusammen? „Wissen ist sinnstiftend“, sagt Philipp Landgraf, Klinischer Psychologe bei
pro mente steiermark GmbH. „Neues erfahren, lernen, Wissen generieren – das gibt dem Leben einen Sinn, weil dahinter Interessen stecken, die vertieft werden möchten. Dadurch werden wichtige Impulse gesetzt, Ziele und Perspektiven geschaffen“, so Landgraf ausführend. Die ungebrochene Neugier dahin gehend, bestimmte Vorgänge besser verstehen zu wollen, die um uns stattfinden, ist also wesentlich für die Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit, unabhängig von sozial-ökonomischen oder kulturellen Faktoren.

Resilienz durch Bildung stärken

Durch die Aneignung von Wissen entstehen nämlich wertvolle Ressourcen, die es ermöglichen, mit Herausforderungen besser umgehen zu können. „Wenn ich über mehr Wissen beispielsweise im Bereich Gesundheit und Vorsorge verfüge, weiß ich auch eher, was ich in belastenden Situationen benötige oder welche Anlaufstellen mir weiterhelfen können bzw. an wen ich mich wenden kann“, wie Landgraf außerdem erklärt. Angefangen von der Ausführung von Hobbys über sportliche Betätigung bis hin zur Aktivierung des sozialen Netzwerkes oder zum Hinzuziehen von professioneller Hilfe – Wissen bedeutet die Bewahrung der Handlungskompetenz, womit auch präventives Verhalten in Krisenmomenten gegeben ist. Zusammengefasst: Wissen ermöglicht den Aufbau und Erhalt von Resilienz.2

Bildung im Zusammenhang mit sozialer Stellung

Bei der Generierung von Wissen spielt jedoch die soziale Stellung eine wesentliche Rolle, denn mehrere Studien belegen, dass Menschen mit höherem Bildungsabschluss eher psychisch gesund bleiben als solche mit nicht abgeschlossener Schulbildung. Junge Erwachsene mit Brüchen in der schulischen Laufbahn haben erwiesenermaßen häufiger negative Gefühle sowie Suizidgedanken, sind im beruflichen Alltag öfter unzufrieden und leiden stärker an Unter- oder Überforderung als Personen, die die schulische Laufbahn abgeschlossen haben.3 Letztere verfügen nämlich aufgrund des Bildungsgrades über mehr individuelle Ressourcen, um mit beruflichen Belastungen besser umgehen zu können. Des Weiteren gestaltet sich die Einkommenssituation anders – Menschen mit höherem Bildungsgrad beziehen in vielen Fällen mehr Gehalt als Personen mit niedrigerem Bildungsabschluss, womit mehr Möglichkeiten in monetärer Hinsicht bestehen und zudem der Zugang zum Gesundheitssystem erleichtert wird.4 Nicht immer entscheiden sich Jugendliche jedoch bewusst für den Abbruch des Bildungsweges, denn schon die familiäre Herkunft ist zentral dahin gehend, den Bildungsweg vollständig und erfolgreich zu bestreiten.

Bildungsvorbilder – die Eltern

In diesem Zusammenhang konnte nämlich anhand von Untersuchungen nachgewiesen werden, dass bereits die Eltern einen großen Einfluss auf die Kinder in Bezug auf Bildung ausüben: Haben die Eltern einen höheren Bildungsgrad, dann bestreiten auch die Kinder die schulische Laufbahn mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich. Hingegen zieht ein geringerer Bildungsgrad häufig einen niedrigeren Sozialstatus sowie Armut nach sich, was den Bezug von medizinischen/therapeutischen Leistungen erschwert und dies folglich öfter zu (chronischen) psychischen Erkrankungen (vor allem zu Depressionen sowie Angststörungen und Suchterkrankungen) führt.5

Konkret hängt dieser Umstand damit zusammen, dass Eltern mit (höherem) Bildungsabschluss über mehr ökonomische, kulturelle und soziale Ressourcen verfügen, die zum einen mit jenen Vorstellungen des Bildungssystems übereinstimmen und die an die Kinder weitergegeben werden können. Zum anderen ermöglichen ebenjene Ressourcen eine bessere und effektivere Unterstützung der Kinder hinsichtlich schulischer Belange. Diese beiden Faktoren bewirken, dass die Kinder häufiger schulische Erfolge erzielen und im Bildungssystem positiver wahrgenommen werden als jene, deren Eltern eben keinen hohen Bildungsgrad aufweisen. Was außerdem hinzukommt und bereits erwähnt wurde – Eltern mit höherem Bildungsabschluss haben bessere (wissenstechnische) Voraussetzungen was den Zugang zum Gesundheitssystem betrifft als jene mit niedrigerem Bildungsabschluss. Und dies bedeutet, dass die Eltern den Kindern in vielen Fällen ein gesundheitlich stabiles und förderliches Umfeld (sowohl körperlich als auch psychisch) bieten können.6

Diese empirischen Belege bedeuten jedoch nicht zwangsläufig, dass Menschen, die den Bildungsweg abgebrochen haben, über weniger Wissen und damit über mangelnde Ressourcen verfügen, welche die psychische Gesundheit aufrechterhalten. Wie vor allem zu Beginn angemerkt trägt jede Person selbst wesentlich dazu bei, sich Wissen auch unabhängig der schulischen Laufbahn anzueignen. Im Hinblick darauf ist es vor allem von großer Bedeutung, neugierig zu bleiben, sich für die Umwelt zu interessieren und dahin gehend eigene (auf Fakten basierende) Nachforschungen anzustellen, um Neues zu lernen. Und solange die Neugier auf umweltbedingte Vorgänge jeglicher Art gegeben ist und der Wissenshunger diesbezüglich gestillt wird, profitiert auch das psychische Wohlbefinden von dieser Art der Bildung.

 


1 Vgl. Robert Koch-Institut: Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2010. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: RKI 2012, S. 39ff.

2 Vgl. Medizinische Universität Wien: Bildung als wichtiger Faktor für psychische Gesundheit. In: meduniwien.ac.at. Veröffentlicht am 08.10.2020.
URL: https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/news/detailseite/2020/news-im-oktober-2020/bildung-als-wichtiger-faktor-fuer-psychische-gesundheit/ [Stand: 09.02.2023].

3 Vgl. Abel, Thomas / Keller, Florian: Bildungsverlauf und Gesundheit: Wie die Bildungswege die psychische Gesundheit beeinflussen. In: YASS – Young Adult Survey Switzerland. Bern: BBL / OFCL / UFCL 2016, S. 68ff.

4 Vgl. Hoebel, J. / Wachtler, B. / Müters, S. / Michalski, N. / Lampert, T.: Bildung als Ressource für Gesundheit. In: bpb – Bundeszentrale für politische Bildung. Veröffentlicht am 10.03.2021.
URL: https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/datenreport-2021/gesundheit/330123/bildung-als-ressource-fuer-gesundheit/ [Stand: 09.02.2023].

5 Vgl. Abel, Thomas / Keller, Florian: Bildungsverlauf und Gesundheit: Wie die Bildungswege die psychische Gesundheit beeinflussen, S. 68ff und
vgl. Mauz, E. / Müters, S. / Jacobi, F.: Psychische Störungen und soziale Ungleichheit im Geburtskohortenvergleich. In: Blickpunkt der Mann 7 (2). Wissenschaftliches Journal für Männergesundheit. Gablitz: Krause & Pachernegg 2009, S. 6ff.

6 Vgl. Abel, Thomas / Keller, Florian: Bildungsverlauf und Gesundheit: Wie die Bildungswege die psychische Gesundheit beeinflussen, S. 68ff.

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Veröffentlicht am: 22.02.2023