Bewusst selbstbewusst

 

Mit ausreichend Vertrauen in die eigenen individuellen Fähigkeiten meistern wir jede alltägliche Herausforderung, doch die positive Einstellung zu sich selbst verlangt viel Aufmerksamkeit. Schätzen wir das Gute zu wenig, gerät das psychische Wohlbefinden aus der Balance.

„Das habe ich mit Bravour geschafft“ versus „Ich habe versagt“ – diese beiden Aussagen sind im Alltag gängig, sowohl im Berufs- als auch im Privatleben. Und wie so manches Mal entsprechende Aufgaben, bei welchen man über sich selbst hinauswachsen muss, gemeistert werden können, begleitet uns hin und wieder ebenso das Gefühl, etwas nicht zufriedenstellend erledigt zu haben. Der Unterschied beider Gedankengänge lässt zudem Rückschlüsse auf die individuelle Persönlichkeit eines Menschen zu: Lobt man sich für bewältigte Herausforderungen, strotzt man auch vor Selbstbewusstsein. Kann man die eigenen Leistungen hingegen nicht anerkennen und neigt man eher dazu, generell selbstkritisch zu sein, scheint der eigene Selbstwert nicht sehr stark ausgeprägt.

Doch was ist das Geheimnis eines gesunden Selbstbewusstseins? Kann man sich dieses überhaupt aneignen oder wird einem der hohe Selbstwert schon in die Wiege gelegt?

Selbstbewusstsein als Überkategorie verschiedenster Bereiche

Zunächst muss festgehalten werden, dass Selbstvertrauen eine subjektive Entität darstellt: Es geht um den individuellen Wert, den sich eine Person selbst zuschreibt.1 Diese Bewertung des eigenen Ichs wird von verschiedensten Faktoren wie der Erziehung im Generellen, den persönlichen Lebenserfahrungen oder der kulturellen Umgebung beeinflusst2 und betrifft dabei vier Bereiche:3

  • Selbstakzeptanz
    Im Vordergrund steht hierbei die Selbstliebe und Achtung vor der eigenen Person.
  • Selbstvertrauen
    Dieser Bereich fasst die positive Einstellung zu den persönlichen Fähigkeiten und Leistungen zusammen.
  • Soziale Kompetenz
    Hier wird Bezug auf jene Fertigkeit genommen, mit anderen Menschen auf bestimmte Art und Weise in Kontakt zu treten und mit schwierigen sozialen Situationen gut umgehen zu können.
  • Soziales Netz
    Ist man in positive soziale Netzwerke integriert, steigert dies das Selbstbewusstsein.

Das Selbstvertrauen wird von der Eltern-Kind-Beziehung geprägt

Anhand dieser Darstellung wird ersichtlich, dass das Selbstvertrauen einzig und allein von der Einstellung sich selbst gegenüber abhängt. Obwohl es der Normalität entspricht, sich mit Rückschlägen konfrontieren zu müssen, muss der Blick vermehrt auf das Positive gelenkt werden, um das eigene Selbstbewusstsein aufrechtzuerhalten und zu stärken. Doch was sich als vermeintlich leichtes Unterfangen darstellt, präsentiert sich häufig anders, denn „[d]ie Mehrheit sind die, die eigentlich finden, dass sie nicht gut genug sind, nicht hinreichend klug, schön oder fleißig“4, wie die deutsche Psychotherapeutin Friederike Potreck erklärt. Wesentliche Komponente für ein starkes und ausgeprägtes Selbstbewusstsein ist die Erziehung: Nicht immer werden die individuellen Stärken und Fähigkeiten eines Kindes vonseiten der Eltern gefördert und Geborgenheit sowie Fürsorge können im Generellen ausbleiben. In diesem Fall haben Kinder „von ihren Bezugspersonen […] keine Verstärkung für das bekommen, was sie gut können und was sie auszeichnet“5, so Potrecks weiterführende Erläuterung.

Und somit prägen sich bestimmte Verhaltensmuster und Leitsätze ein, die jemanden ständig begleiten und schlimmstenfalls gesundheitlich beeinträchtigen können. Nicht selten führt nämlich ein zu geringes Selbstwertgefühl zu psychischen Erkrankungen.

Wechselseitige Wirkung zwischen Selbstvertrauen und psychischen Erkrankungen

Verinnerlicht man eine entsprechend kritische Haltung sich selbst gegenüber aufgrund von mangelnder Anerkennung, wirkt sich dies auf das psychische Wohlbefinden negativ aus. So konnte beispielsweise herausgefunden werden, dass ein geringes Selbstwertgefühl zu Depressionen führen kann6 und auch Essstörungen werden durch mangelndes Selbstvertrauen in der Pubertät begünstigt.7 Im Zuge von therapeutischen Maßnahmen wird deswegen häufig der Fokus auf die Stärkung des Selbstbewusstseins gelegt, um einerseits eine Verbesserung der Symptome verschiedener Krankheitsbilder zu erzielen und um andererseits die individuelle Resilienz (die eigene psychische Widerstandskraft) zu stärken.8

Umgekehrt können auch psychische Erkrankungen dazu führen, dass der Selbstwert massiv sinkt, weswegen ein geringes Selbstbewusst als Symptom der jeweiligen Krankheit bzw. Störung gewertet wird, beispielsweise bei Angststörungen und im Speziellen bei sozialen Phobien. Psychische Erkrankungen können außerdem zu einem gesteigerten bis hin gefährlich stark ausgeprägten Selbstbewusstsein im Sinne von Selbstüberschätzung oder Größenwahn führen, beispielsweise bei den Krankheitsbildern der Manie oder bei verschiedenen Arten der Persönlichkeitsstörung.9

Selbstbewusstsein stärken

Um langfristig psychisch gesund zu bleiben, ist es gemäß den Ausführungen demnach vonnöten, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken, indem man sich von einer allgemeinen Negativ-Fokussierung sowie von Erfahrungen und mangelnder Anerkennung von Außenstehenden loslöst, denn – wie beschrieben – das Selbstbewusstsein ist die individuelle Bewertung der eigenen Fähigkeiten, Stärken und sozialen Kompetenzen, also „nichts, was einem einmal gegeben und für den Rest des Lebens festgeschrieben ist. Es geht um kontinuierliches Arbeiten an sich selbst, um den Selbstwert und damit auch das Vertrauen in sich selbst wachsen zu lassen“10, wie Potreck ermuntert.

Vordergründig ist dabei eine grundlegende Verhaltensänderung, welche eine Dezimierung der schädlichen Grundannahmen und gleichzeitig eine Zunahme der positiven Einstellung sich selbst gegenüber verlangt. Im Sinne der eingangs erwähnten 4 Unterkategorien von Selbstwert bedeutet dies Folgendes:11

  • Selbstakzeptanz
    Erlernt werden muss ein wertschätzender Umgang mit der eigenen Person. Allgemeine Zufriedenheit mit gegebenen Umständen und das Akzeptieren der Charaktereigenschaften – die guten wie schlechten – stehen damit im Vordergrund. Erst wenn man sich in der eigenen ‚Haut‘ wohlfühlt, nimmt man sich selbst an.
  • Selbstvertrauen
    Fokussiert werden müssen die bewältigten Herausforderungen durch die individuellen Ressourcen. Damit ist die Besinnung auf die eigenen Fähigkeiten von besonderer Bedeutung. Neben einem allgemeinen Durchhaltevermögen, eine Aufgabe zu erledigen, ist es aber auch vonnöten, die eigenen Grenzen zu kennen, um ‚Nein‘ sagen zu können.
  • Soziale Kompetenz
    Mit den Mitmenschen respektvoll und freundlich umgehen, sich sozialen Herausforderungen flexibel stellen, Komplimente annehmen – diese Aspekte sind wesentlich für ein befriedigendes Sozialleben und führen zur Steigerung des Selbstwertgefühls.
  • Soziales Netz
    Mithilfe der Familie, der/des Partner*in, der Freund*innen können schwierige Aufgaben gut gemeistert werden. Ein stabiles soziales Netzwerk, gekennzeichnet durch Wertschätzung und Verlässlichkeit, befriedigt die zwischenmenschlichen Bedürfnisse und stärkt in weiterer Folge das Selbstbewusstsein.

Daneben muss auch individuelle Selbstfürsorge für Körper und Seele betrieben werden, beispielsweise in Form von

  • ausreichend Schlaf und Zeit für gesunde Mahlzeiten,
  • regelmäßiger Bewegung,
  • Pflege des äußeren Erscheinungsbildes sowie Tragen von Lieblingskleidungsstücken,
  • Tätigkeiten erledigen, die man sich vornimmt, und Leistungen belohnen,
  • Hobbys betreiben und Pausen für sich planen,
  • Achtsamkeitsmomente schaffen.12

Von besonderer Bedeutung ist gemäß den Ausführungen das Ablegen von erlernten schädlichen Verhaltensmustern sowie die gleichzeitige positive Bewertung der eigenen Stärken und diversen abgeschlossenen Alltagsherausforderungen. Die Freude darüber, etwas geschafft zu haben, soll demnach überwiegen, genauso wie die individuellen Fähigkeiten in den Mittelpunkt rücken müssen. So lässt sich der Selbstwert markant steigern, während Unsicherheiten in den Hintergrund rücken. Und damit wird nicht nur das Risiko, psychische Erkrankungen zu entwickeln, gemindert, sondern vor allem allgemeines seelisches Wohlbefinden hergestellt.

 


1 Vgl. Weltpfalz-Klinikum: Selbstwert. In: westpfalz-klinikum-de.
URL: https://www.westpfalz-klinikum.de/coronahilfe/tipps-und-strategien/selbstwert/ [Stand: 17.03.2022].

2 Vgl. Klinik Friedenweiler: Psychische Störungen und Selbstwert. In: klinik-friedenweiler.de.
URL: https://www.klinik-friedenweiler.de/aktuelles/psychische-stoerungen-und-der-selbstwert/ [Stand: 17.03.2022].

3 Vgl. Weltpfalz-Klinikum: Selbstwert.
URL: https://www.westpfalz-klinikum.de/coronahilfe/tipps-und-strategien/selbstwert/ [Stand: 17.03.2022].

4 Bachal, Daniela: 2022 nehme ich mir vor … Mehr Selbstbewusstsein: So geht’s. In: kleinezeitung.at. Veröffentlicht am 11.01.2022.
URL: https://www.kleinezeitung.at/lebensart/6083714/2022-nehme-ich-mir-vor_Mehr-Selbstbewusstsein_So-gehts [Stand: 17.03.2022].

5 Bachal, Daniela: 2022 nehme ich mir vor … Mehr Selbstbewusstsein: So geht’s.
URL: https://www.kleinezeitung.at/lebensart/6083714/2022-nehme-ich-mir-vor_Mehr-Selbstbewusstsein_So-gehts [Stand: 17.03.2022].

6 Vgl. MS: Depressionen: begünstigt durch ein geringes Selbstwertgefühl. In: aerzteblatt.de. Veröffentlicht im August 2013.
URL: https://www.aerzteblatt.de/archiv/145097/Depressionen-Beguenstigt-durch-geringes-Selbstwertgefuehl [Stand: 17.03.2022].

7 Vgl. Reuver, Friederike: Selbstwert und psychische Erkrankungen. In: limes-schlosskliniken.de. Veröffentlicht am 16.02.2020.
URL: https://www.limes-schlosskliniken.de/blog/selbstwert-und-psychische-erkrankungen/ [Stand: 17.03.2022].

8 Vgl. Reuver, Friederike: Selbstwert und psychische Erkrankungen.
URL: https://www.limes-schlosskliniken.de/blog/selbstwert-und-psychische-erkrankungen/ [Stand: 17.03.2022].

9 Vgl. Reuver, Friederike: Selbstwert und psychische Erkrankungen.
URL: https://www.limes-schlosskliniken.de/blog/selbstwert-und-psychische-erkrankungen/ [Stand: 17.03.2022].

10 Bachal, Daniela: 2022 nehme ich mir vor … Mehr Selbstbewusstsein: So geht’s.
URL: https://www.kleinezeitung.at/lebensart/6083714/2022-nehme-ich-mir-vor_Mehr-Selbstbewusstsein_So-gehts [Stand: 17.03.2022].

11 Vgl. Weltpfalz-Klinikum: Selbstwert.
URL: https://www.westpfalz-klinikum.de/coronahilfe/tipps-und-strategien/selbstwert/ [Stand: 17.03.2022].

12 Vgl. Weltpfalz-Klinikum: Selbstwert.
URL: https://www.westpfalz-klinikum.de/coronahilfe/tipps-und-strategien/selbstwert/ [Stand: 17.03.2022] und
vgl. Reuver, Friederike: Selbstwert und psychische Erkrankungen.
URL: https://www.limes-schlosskliniken.de/blog/selbstwert-und-psychische-erkrankungen/ [Stand: 17.03.2022].

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Veröffentlicht am: 27.04.2022