Viele Wege führen zum Ziel – Verfahren der Psychotherapie
Auf der Suche nach der*dem passenden Psychotherapeut*in stößt man auf zahlreiche Zusatzbezeichnungen, welche die Methoden der Psychotherapie umfassen. Doch worin unterscheiden sich die vielfältigen Richtungen und welche ist wann zu wählen?
Schon in unserem Blogbeitrag „Psychotherapie als bereichernde Hilfestellung bei Krisen und Krankheiten“ »» sind wir intensiver darauf eingegangen, was Psychotherapie eigentlich ist, wann sie spätestens in Anspruch genommen werden sollte und wie sich die Psychotherapie im Generellen gestaltet. Ein kurzer Abriss gibt dabei auch einen Überblick über die 4 großen Kategorien der Psychotherapie, welche sich in weiterer Folge in verschiedenste Richtungen unterteilen. Doch wie differenzieren sich die einzelnen Verfahren der Psychotherapie? Und welche Richtung ist für welche psychische Problemsituation bzw. Erkrankung geeignet?
Im Allgemeinen zeichnet sich die Psychotherapie als Heilverfahren aus, das die Diagnostik sowie die Behandlung von seelischen Problemsituationen bis hin zu psychischen Erkrankungen sicherstellt.1 Im Fokus einer Psychotherapie steht dabei das Verhältnis zwischen der*dem Psychotherapeut*in und der*dem Patient*in, denn nur dann, wenn die zwischenmenschliche Komponente auf Sympathie und vor allem Vertrauen beruht, können auch entsprechende Erfolge im Rahmen der Behandlung erzielt werden. Und des Weiteren – erst im persönlichen Gespräch kann abgeklärt werden, welches psychotherapeutische Verfahren je nach individueller Angelegenheit tatsächlich zielführend sein wird.2
Wie bereits erwähnt unterscheidet man in Österreich zwischen den 4 grundlegenden Kategorien der Psychotherapie wie folgt:3
- Tiefenpsychologisch-psychodynamische Orientierung
Bei dieser Richtung wird davon ausgegangen, dass psychische Probleme bzw. Erkrankungen auf verdrängten Konflikten beruhen. Ziel ist es, diese zu eruieren, sich durch die Verknüpfung mit den daran gebundenen Gefühlen auseinanderzusetzen und besagte Konflikte aufzulösen. - Humanistisch-existenzielle Orientierung
Diese Therapieform geht davon aus, dass der Mensch über gewisse Selbstheilungskräfte verfügt und deswegen auch Probleme aus eigener Kraft lösen kann, um ein sinnstiftendes Leben zu führen. - Systemische Orientierung
Die systemische Orientierung fokussiert Probleme innerhalb eines Systems, beispielsweise im Familienverband oder in zwischenmenschlichen Beziehungen. - Verhaltenstherapeutische Orientierung
Ausgangspunkt dieser Therapieform bildet das eigene Verhalten, das neu gelernt bzw. umgeschult werden kann. Bestimmte Techniken sollen beispielsweise Veränderungen in der Wahrnehmung oder im Verhalten bewirken.
Gemäß einer Erhebung aus dem Jahr 2019 haben sich die in Österreich praktizierenden Psychotherapeut*innen am häufigsten der humanistisch-existenziellen Behandlung (ca. 3.100) zugewendet, dicht gefolgt von ca. 3.000 Psychotherapeut*innen mit tiefenpsychologisch-psychodynamischer Orientierung; ca. 2.300 Professionist*innen wenden Methoden der systemischen Orientierung an und nur noch ca. 1.100 Psychotherapeut*innen verhaltenstherapeutische Verfahren. Ca. 700 Professionist*innen arbeiten ohne spezifische Orientierung.4
Ein breites Spektrum an Richtungen
Angedeutet wurde zuvor, dass sich diese 4 Kategorien in weitere Richtungen unterteilen. In Österreich sind insgesamt 23 psychotherapeutische Verfahren5 gesetzlich anerkannt.6
Der Bereich der tiefenpsychologisch-psychodynamischen Orientierung umfasst dabei die
- analytische Psychologie,
- Gruppenpsychoanalyse bzw. die psychoanalytische Psychotherapie,
- außerdem die Individualpsychologie,
- Psychoanalyse oder psychoanalytische Psychotherapie,
- psychoanalytisch orientierte Psychotherapie,
- autogene Psychotherapie,
- Daseinsanalyse sowie
- dynamische Gruppenpsychotherapie,
- Hypnosepsychotherapie,
- katathym imaginative Psychotherapie und nicht zuletzt
- die konzentrative Bewegungstherapie und die
- transaktionsanalytische Psychotherapie.7
Professionist*innen, die humanistisch-existenzielle Methoden anwenden, haben sich auf die folgenden Verfahren spezialisiert:8
- Existenzanalyse
- Existenzanalyse und Logotherapie
- Gestalttheoretische Psychotherapie
- Integrative Gestalttherapie
- Integrative Therapie
- Klientenzentrierte Psychotherapie
- Person(en)zentrierte Psychotherapie
- Psychodrama
Bei der Richtung der Systemischen Orientierung stehen die Methoden der neuro-linguistischen Psychotherapie sowie jene der systemischen Familientherapie im Vordergrund. Und nicht zuletzt umfasst die verhaltenstherapeutische Orientierung die Verhaltenstherapie. All diese angeführten Richtungen zeichnen sich dabei durch ihre Überprüfung auf wissenschaftliche Fundierung durch das österreichische Bundesministerium aus.9 Doch worin genau liegt nun der Unterschied?
Feine methodische Differenzierungen
Während in den einzelnen Verfahren keine Unterschiede bestehen, wenn es darum geht, psychische Problemstellungen zu lösen oder Erkrankungen zu behandeln, so variieren sie dahin gehend, welches Verständnis zur Persönlichkeitsstruktur der*des Patient*in vorliegt und was genau zur Entstehung des Leidenszustandes bzw. der Störung oder Erkrankung geführt hat. „Im Grunde liegt der Unterschied also darin, dass sich die Erklärungsmuster für das Auftreten der psychischen Belastung oder Krankheit differenzieren. Auch variieren je nach Richtung die unterschiedlichen Methoden, um die Erkrankung zu behandeln“, wie Karin Nauschnegg, Psychologin und Leiterin der mobilen sozialpsychiatrischen Betreuung von pro mente steiermark, erklärt. Im Allgemeinen lassen sich jedoch alle 23 Verfahren für die Behandlung von psychischen Erkrankungen heranziehen und in vielen Fällen wendet die*der Psychotherapeut*in mehrere Methoden aus verschiedenen Richtungen an, um durch eine Vielfalt bestmögliche Heilungschancen zu gewährleisten.10
Vertrauen als Basis einer erfolgreichen Therapie
Essenziell ist jedoch, dass die*der Patient*in dazu bereit ist, sich diesen methodischen Verfahren der*des Therapeut*in anzunehmen und danach arbeiten zu wollen, was wiederum erst dann erfolgversprechend ist, wenn ein Vertrauens- und Sympathieverhältnis geschaffen wurde. Somit bildet die zwischenmenschliche Ebene die wichtigste Voraussetzung für eine bestmögliche Behandlung.11 Schon vorab sollten sich Interessierte deswegen über die*den Psychotherapeuten*Psychotherapeutin informieren, „beispielsweise über die Homepage oder durch ein erstes Telefonat, um einen kleinen Eindruck zu gewinnen“, wie Nauschnegg rät. „Üblicherweise geben die Therapeut*innen auch gleich eine Einschätzung ab, ob die jeweilige Richtung oder Methode zum genannten Problem passend ist“, so ihre Ergänzung. Hier obliegt es sodann der*dem Patient*in, ob sie*er sich dem Verfahren annehmen möchte.
Im Allgemeinen ist jedoch festzuhalten, dass Patient*innen sich nicht bereits vorab über die Richtungen und angewandten Methoden einer*eines Psychotherapeut*in informieren müssen; im Vordergrund steht eher, wie mehrfach betont, eine positive zwischenmenschliche Ebene, welche für sie*ihn gegeben sein muss. „Aus Sicht der Patient*innen ist nämlich vor allem wichtig, dass man sich wohlfühlt“, wie Nauschnegg betont. Dass die*der Therapeut*in nach einem bestimmten Verfahren versucht, psychische Belastungen zu reduzieren bzw. aufzulösen oder psychische Krankheiten zu heilen, wird Betroffenen entweder zusagen oder sie lehnen die Methodik instinktiv ab. In letzterem Fall dürfen Patient*innen keine Scheu davor haben, dies offen zu kommunizieren bzw. bei nicht gegebener Sympathie eine*n andere*n Professionist*in heranzuziehen, denn erst mit der*dem passenden Therapeut*in gelingt auch im besten Fall die Auflösung des Problems bzw. die Heilung der psychischen Erkrankung.
Allgemeine Informationen zur Psychotherapie sowie unterstützende Hilfestellungen bei der Suche nach der*dem richtigen Psychotherapeut*in in der näheren Umgebung erhalten Sie beispielsweise online unter
STLP – Steirischer Landesverband für Psychotherapie
https://www.stlp.at/
Netzwerk Psychotherapie Steiermark
https://www.psychotherapie-steiermark.net/
psyonline.at
https://www.psyonline.at/
1 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Psychotherapie. In: gesundheit.gv.at. Aktualisiert am 30.09.2019.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/krisenintervention/psychotherapie.html [Stand: 23.05.2023].
2 Vgl. Kierein, Michael / Sagl, Maria: Patientinnen/Patienten-Information über die in Österreich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren. Herausgegeben von: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. In: psychotherapie.at. Veröffentlicht im Jahr 2020.
URL: https://www.psychotherapie.at/sites/default/files/downloads/Patient_inneninformation-BMGSPK-Stand-2020-29-04.pdf [Stand: 23.05.20239.
3 Vgl. Forrer, Flavia: Welche psychotherapeutischen Methoden gibt es? In: therapie-info.at.
URL: https://www.therapie-info.at/%C3%BCber-psychotherapie/welche-psychotherapeutischen-methoden-gibt-es [Stand: 23.05.2023].
4 Vgl. Berufsverband Österreichischer PsychologInnen / BÖP: Psychotherapie in Österreich. In: boep.or.at. Abgerufen am 28.09.2020.
URL: https://www.boep.or.at/download/5fabc3063c15c877d5000058/Psychotherapie_in_Oesterreich.pdf [Stand: 23.05.2023].
5 Eine detaillierte Beschreibung eines jeden einzelnen Verfahrens finden Sie hier »»
6 Vgl. psyonline.at: Psychotherapie-Methoden. In: psychonline.at. Aktualisiert im Dezember 2021.
URL: https://www.psyonline.at/contents/13405/psychotherapie-methoden [Stand: 23.05.2023].
7 Vgl. psyonline.at: Psychotherapie-Methoden.
URL: https://www.psyonline.at/contents/13405/psychotherapie-methoden [Stand: 23.05.2023].
8 Vgl. psyonline.at: Psychotherapie-Methoden.
URL: https://www.psyonline.at/contents/13405/psychotherapie-methoden [Stand: 23.05.2023].
9 Vgl. psyonline.at: Psychotherapie-Methoden.
URL: https://www.psyonline.at/contents/13405/psychotherapie-methoden [Stand: 23.05.2023].
10 Vgl. psyonline.at: Psychotherapie-Methoden.
URL: https://www.psyonline.at/contents/13405/psychotherapie-methoden [Stand: 23.05.2023].
11 Vgl. psyonline.at: Psychotherapie-Methoden.
URL: https://www.psyonline.at/contents/13405/psychotherapie-methoden [Stand: 23.05.2023].
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Veröffentlicht am: 07.06.2023