Wenn Körper und Seele aus dem Gleichgewicht geraten

 

Anhaltende Rückenschmerzen, ständige Übelkeit oder immer wieder Phasen von Schwindel – und dennoch keine medizinische Auffälligkeit. Ganz klar, es muss psychosomatisch sein. Aber was genau verbirgt sich dahinter?

Viele haben es schon erlebt: Man leidet ständig unter Kopfschmerzen, krümmt sich ob der stetigen Bauchkrämpfe oder hört immerfort ein Geräusch im Ohr. Nach einem Besuch beim Arzt steht sodann fest – man ist kerngesund. Trotzdem sind die Symptome weiterhin ein treuer Begleiter und es stellt sich sodann die Frage: Welche Krankheit plagt mich, die ich eigentlich nicht haben dürfte? An diesem Punkt setzt nun die Psychosomatik an, denn sie betrachtet nicht nur physische Ursachen für die Schmerzen, sondern bezieht auch die Psyche ein.

Die komplexe Wechselwirkung von Körper und Seele wird dabei unter die Lupe genommen.

Denn die Psychosomatik geht davon aus, „dass Denken und Fühlen sowie Organe und Organfunktionen nicht voneinander zu trennen sind“1, so Alexander Kugelstadt, Arzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Berlin. Eine psychosomatische Störung, so Kugelstadt, entstehe, wenn die Psyche einer ständigen Belastung ausgesetzt sei und diese nicht ausreichend verarbeitet werden könne.2

Gemäß dieser Erklärung ist die Ursache für auftretende körperliche Leiden somit nicht nur physisch auf dem Grund zu gehen, sondern der Blick muss auch auf das soziale Umfeld wie Beruf, Familie etc. gerichtet werden. Ebenso begünstigen anhaltender Stress in unterschiedlichen Bereichen, Lebenskrisen im Generellen oder erlebte Traumata eine psychosomatische Störung.3

Welche genauen Mechanismen stecken nun hinter psychosomatischen Beschwerden?

Nach aktuellem Wissensstand geht man von einem gestörten Verhältnis zwischen den einwirkenden Belastungen auf den Menschen und den notwendigen Bewältigungsmöglichkeiten aus. Wenn diese nicht ausreichend gegeben sind, um das psychische Befinden in Balance zu halten, dann kommt es zu einer Art Verletzung der Psyche, was durch körperliche Beschwerden – psychosomatisch – wahrgenommen wird.4

Nach wie vor sind die genauen Vorgangsweisen aber noch nicht vollständig erfasst und deswegen anhaltender Untersuchungsgegenstand der Wissenschaft; einig ist man sich jedoch dahin gehend, dass genetische, biologische, soziale und psychische Aspekte zusammenspielen.5

Wie wird eine psychosomatische Störung diagnostiziert?

Grundsätzlich darf eine entsprechende Diagnose erst dann gestellt werden, wenn keine organischen Ursachen für das Leiden festgestellt werden können. Des Weiteren muss eine positive psychische Diagnostik vorliegen, was bedeutet, dass die körperlichen Beschwerden mit psychischen Belastungen erklärt werden können. Wichtig ist es auch, dass den Patient*innen die Zusammenhänge zwischen den Schmerzen und der Psyche als mögliche Auslöser vermittelt werden, damit die komplexen Prozesse verstanden werden können.6

Problematisch ist jedoch der Umstand, dass psychosomatische Beschwerden oftmals erst verspätet einsetzen und Betroffene somit keine Verbindung mehr zwischen einem belastenden psychischen Ereignis und den Schmerzen herstellen können.7 Umso wichtiger ist es, dass im Zuge eines Gespräches nicht nur aktuelle, sondern auch vergangene Ereignisse genauer betrachtet werden.

Und wie können psychosomatische Beschwerden therapeutisch behandelt werden?

Je nach Schweregrad der Erkrankung und nach Abklärung des Krankheitsstadiums müssen verschiedene Behandlungsphasen eingeleitet werden. Bei noch nicht stark ausgeprägten Störungen werden vorwiegend psychotherapeutische und klinisch-psychologische Beratungen empfohlen. Sind die Beschwerden jedoch schon fortgeschritten und dadurch körperliche Einschränkungen über einen längeren Zeitraum vorhanden, sind Informationsgabe und Selbsthilfe Schwerpunkt der Behandlung. Zuletzt muss auch eine Psychotherapie dazu beitragen, die Beschwerden zu lindern.8

Neben weiteren Genesungsschritten wie Physiotherapie oder Ergotherapie sollten Patient*innen auch selbstständig Maßnahmen ergreifen und diese in den Alltag einbauen. Dafür ist es jedoch von großer Wichtigkeit, begreifbar zu machen, dass die Beschwerden psychischer, nicht jedoch physischer Natur sind. Erst wenn hierbei Einsicht besteht, können Betroffene entsprechend handeln und die eigenen Ressourcen nutzen, um wieder gesund zu werden.9 Die folgenden Tipps beziehen sich deswegen auch hauptsächlich auf die Reduzierung von psychischen Belastungen:10

  • Gesunder Lebensstil
    Hierzu zählen die regelmäßige Bewegung, eine bewusste, abwechslungsreiche Ernährung sowie ausreichend Schlaf. Auch die persönlichen Bedürfnisse und die Erholung vom stressigen Alltag sind für eine Genesung unumgänglich.
  • Das soziale Netzwerk nicht vernachlässigen
    Mit einer psychosomatischen Störung wie beispielsweise dem Reizdarmsyndrom schränken viele Personen ihr soziales Leben massiv ein. Wichtig ist es jedoch, den Kontakt zu Freund*innen, zur Familie und zu Vertrauten zu pflegen, um so weiterhin am sozialen Geschehen teilzuhaben.
  • Psychologische Hilfe annehmen und eine Selbsthilfegruppe aufsuchen
    Wie bereits erwähnt muss Einsicht dahin gehend bestehen, dass die Beschwerden auf die Psyche zurückzuführen sind. Eine aktive Beteiligung an der entsprechenden Behandlung ist deswegen vonnöten. Auch die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe kann zur Genesung beitragen, da hierbei ein Austausch mit Personen stattfindet, die ähnliche Probleme aufweisen.
  • Achtsamkeitstraining
    Verschiedenste Techniken verhelfen zu einer Entschleunigung und gleichzeitigen Fokussierung auf sich selbst, was das seelische Wohlbefinden steigert.
  • Lebensveränderungen einläuten
    Wenn beispielsweise der Job oder die Beziehung für die psychosomatischen Beschwerden verantwortlich sind, dann ist es ratsam, über eine Veränderung nachzudenken und diese in weiterer Folge auch zu veranlassen.
  • Informationsbeschaffung
    Je besser man über die Erkrankung informiert ist, desto eher können auch entsprechende Maßnahmen zur Heilung ergriffen werden. Wichtig ist es jedoch, auf seriöse und gesicherte Quellen zurückzugreifen.

Wenn gemäß den Ausführungen keine physische Ursache für Beschwerden und Schmerzen vorliegt, sollte man sich nicht davor scheuen, entsprechende Hilfe aufzusuchen. Ansprechpartner*innen sind hierbei beispielsweise Ärzt*innen für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeut*innen sowie Klinische Psycholog*innen. Auch in Ambulanzen speziell auf Psychosomatik ausgerichtet findet man die Unterstützung, die notwendig ist, um den Beschwerden auf den Grund zu gehen und sie zu lindern bzw. um wieder vollständig zu genesen.11 Denn nur, wenn die Psyche und der Körper im Gleichgewicht sind, kann ein nachhaltiger Schutz vor etwaigen Störungen des komplexen menschlichen Systems gewährleistet werden.

 


1 Oster, Carmen: Krank durch Kränkung „Das ist wohl psychosomatisch“: Was hinter diesem Standardspruch steckt. In: kleinezeitung.at. Veröffentlicht am 31.01.2021.
URL: https://www.kleinezeitung.at/lebensart/5928158/Krank-durch-Kraenkung_Das-ist-wohl-psychosomatisch_Was-hinter# [Stand: 18.02.2021].

2 Vgl. Oster, Carmen: Krank durch Kränkung „Das ist wohl psychosomatisch“: Was hinter diesem Standardspruch steckt.
URL: https://www.kleinezeitung.at/lebensart/5928158/Krank-durch-Kraenkung_Das-ist-wohl-psychosomatisch_Was-hinter# [Stand: 18.02.2021].

3 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Psychosomatik: Was ist das? Zuletzt aktualisiert am 28.07.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/psychosomatik/was-ist-das [Stand: 18.02.2021].

4 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Psychosomatik: Was ist das?
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/psychosomatik/was-ist-das [Stand: 18.02.2021].

5 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Psychosomatik: Was ist das?
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/psychosomatik/was-ist-das [Stand: 18.02.2021].

6 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Somatoforme Störungen: Diagnose & Therapie. Zuletzt aktualisiert am 28.07.2020.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/psychosomatik/diagnose-therapie [Stand: 18.02.2021].

7 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Somatoforme Störungen: Diagnose & Therapie.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/psychosomatik/diagnose-therapie [Stand: 18.02.2021].

8 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Somatoforme Störungen: Diagnose & Therapie.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/psychosomatik/diagnose-therapie [Stand: 18.02.2021].

9 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Somatoforme Störungen: Diagnose & Therapie.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/psychosomatik/diagnose-therapie [Stand: 18.02.2021].

10 Vgl. Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Somatoforme Störungen: Diagnose & Therapie.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/psychosomatik/diagnose-therapie [Stand: 18.02.2021].

11 Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Somatoforme Störungen: Diagnose & Therapie.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/psyche/psychosomatik/diagnose-therapie [Stand: 18.02.2021].

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Veröffentlicht am: 17.03.2021