Kreativspiel – Originalität steckt in uns allen

 

Dass das kreative Schaffen und die schöpferische Kraft nur wenigen vorbehalten sei, ist ein Mythos –jeder Mensch kann sich im künstlerischen Ausdruck üben. Und das sollten wir auch, denn die Kreativität trägt nachweislich zur psychischen Gesundheit bei.

Es gibt bekanntlich nur sehr wenige Personen, die in der Kunst Großes hervorgebracht haben, das auch über Jahrhunderte hinweg besprochen, diskutiert und kommentiert wird. Und weil die großen Meister*innen der Musik, Literatur oder bildenden Kunst ein Werk für die Ewigkeit geschaffen haben, besteht auch weiterhin der Drang, Einmaliges abzubilden und zum Ausdruck zu bringen. Kreativität bedeutet jedoch nicht konkret – wie viele der Meinung sind –, dass eine überragende schöpferische Begabung vorliegen und man aufgrund der Geisteskraft dem Genie zuordenbar sein muss.

Kreativität auf unterschiedliche Art und Weise steckt nämlich in uns allen.

Auch wenn man das Geschaffene nicht mit dem Werk bekannter Künstler*innen vergleichen kann – „jeder Mensch kann kreativ sein, das ist in unserem Hirn so angelegt“1, wie die Psychologin und Kreativitätsforscherin Dr.in Caroline di Bernhardi, tätig an der Queen Mary University in London, erklärt. Und genau mit diesem Mythos muss aufgeräumt werden, denn „viele denken, sie seien nicht kreativ, wenn sie nicht künstlerisch begabt sind oder Musik komponieren können“2, so die weiterführende Erläuterung von di Bernhardi.

Wie und in welcher Form können wir alle dann kreativ sein?

Jeder Pinselstrich sieht unkoordiniert aus, beim Singen wird kein Ton getroffen – und doch sollen wir alle dazu in der Lage sein, kreativ zu werden? Ja, denn „alles was neuartig ist, originell und auch noch einen Zweck erfüllt, ist kreativ“3, so der Biologe Martin Korte, Leiter des Zoologischen Institutes der TU Braunschweig mit Forschungsschwerpunkt Neurowissenschaft. Im Vordergrund steht also das Schaffen von etwas Neuem, und das kann sowohl physisch greifbar als auch immateriell sein.

Kreativität umfasst demnach nicht nur den künstlerischen Ausdruck mit dem Zweck, etwas Originelles und Einzigartiges zu entwickeln, wie es etwa beim Schreiben eines Textes der Fall ist oder beim Komponieren von musikalischen Stücken, sondern beinhaltet auch das Lösen von Problemen durch neue kognitive Ansätze, so beispielsweise die Anforderung im Büroalltag. Das sogenannte ‚divergente Denken‘, eine Begrifflichkeit, die auf den US-amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford zurückgeht, ermöglicht eine kognitive Denkweise abseits einer bekannten Struktur.4 Dabei werden alle Möglichkeiten im Rahmen eines Brainstormings zur Problemlösung miteinbezogen und in weiterer Folge wird abgewogen, welcher Ansatz die vielversprechendste Methode sein könnte, um das Ziel zu erreichen.5 Schon dieser Prozess bringt die Kreativität einer jeden Person zum Ausdruck und findet in scheinbar banalen Tätigkeiten Anwendung, so beispielsweise beim Kochen ohne Rezeptvorlage6 oder beim Reparieren von Alltagsgegenständen7.

Kreativität tritt sowohl im aktiven Modus als auch im passiven Tun zum Vorschein.

Die kreative Gabe wird von uns allen folglich auch stets angewandt: Im Arbeitsalltag wird oftmals Flexibilität vorausgesetzt. Und gerade in jenen Situationen, die uns das schnelle Lösen von Problem abverlangen, entfalten wir unseren Schöpfergeist.8 Wir konzentrieren uns auf eine Aufgabe und versuchen, die Herausforderung mit einem geeigneten Mittel zu bewältigen. Aber nicht nur in dieser aktiven Phase machen wir von unserer Kreativität Gebrauch, sondern bedienen uns ihr auch, indem wir Kunst in einem scheinbar passiven Zustand wahrnehmen. Das Lesen eines Buches, das Hören von Musik oder die bloße Betrachtung eines Kunstwerkes bedingen das Füllen der aufgeworfenen Leerstellen: Wir versuchen, das noch Kommende zu erahnen, indem wir das bisher noch nicht Greifbare schon vorab fassen möchten.9

Durch diese entspannenden Momente, in welchen wir unseren kognitiven Fähigkeiten vermeintlich eine Pause gönnen, entwickeln wir neue Ideen für ein mögliches Problem. Und wenn uns diese Ansätze sodann auch bewusst werden , bewirkt diese Art der Kreativität Freude – wir sind glücklich darüber, etwas geschafft zu haben.10

Das kreative Schaffen fördert demnach auch die psychische Gesundheit.

Dieser Umstand, nämlich das Kreativität stimmungsaufhellend wirkt, konnte auch wissenschaftlich nachgewiesen werden. Während man vorwiegend erforschte, wie Emotionen das kreative Schaffen beeinflussen, konzentrierte sich ein Team der Universität Otago in Neuseeland nun darauf, ob auch das Gegenteil bewiesen werden könnte – mit Erfolg: Die durchgeführte Studie11 ergab, dass die Proband*innen am Tag nach einer kreativen Schaffenseinheit – durch das Malen, Musizieren, Schreiben oder Kreieren von Rezepten – glücklicher waren. Hingegen zeigte sich, dass positive Emotionen die Kreativität in weiterer Folge nicht steigern konnten.

Und was dabei auch vonstattengeht: Wir drücken unsere Emotionen aus und verarbeiten sie. Beschrieben in unseren 10 wirkungsvollen Schritten für psychische Gesundheit »» geht es dabei konkret um das Reflektieren über Alltägliches, aber auch über schwierige Situationen. Mittels Kreativität bringen wir unsere Innenwelt zum Ausdruck und können damit unsere Träume, Sehnsüchte sowie Sorgen und Ängste benennen, gegebenenfalls auch lösen.

Auch nach einer Auswertung von 900 Publikationen kommt die WHO zu demselben Ergebnis und geht dabei noch einen Schritt weiter: Kreativität fördert nicht nur das psychische Wohlbefinden, sondern kann auch das körperliche Leiden und Krankheiten im Allgemeinen lindern, weswegen schöpferische Maßnahmen medizinische Therapien ergänzen sollten.12 Eingeteilt in 5 Kategorien wurden folgende Künste für eine Förderung der körperlichen und psychischen Gesundheit angeführt:13

  • Darstellende Künste wie Musik, Tanz, Gesang, Theater oder Film,
  • visuelle Künste und hierbei speziell Basteln bzw. Handwerken, Malerei, Fotografie oder Design,
  • Literatur,
  • Kultur, vor allem der Besuch von Museen, Galerien, Konzerten oder Theatervorführungen,
  • Online-Künste im Bereich Animation und digitale Künste.

Gemäß den Ausführungen sollten wir uns damit bewusst dem kreativen Schaffen widmen, um uns und unserer Seele etwas Gutes zu tun. Und ob nun künstlerisch begabt oder nicht – Kreativität zeigt sich nicht nur in großartigen Werken vergangener Zeiten, sondern wird auch in alltäglichen Situationen und Begebenheiten gefordert. Sie beeinflusst unsere kognitiven Fähigkeiten dahin gehend, alternative Lösungsansätze zu finden, und ist nicht zuletzt von großer Bedeutung für die Aufrechterhaltung unseres psychischen Wohlbefindens.

 


1 Rubner, Jeanne/Alvarez, Constanze: Wie entsteht Kreativität? In: BR Wissen. Veröffentlicht am 28.12.2020.
URL: https://www.br.de/wissen/neuropsychologie-kreativitaet-gehirn-100.html [Stand: 12.01.2021].

2 Rubner, Jeanne/Alvarez, Constanze: Wie entsteht Kreativität?
URL: https://www.br.de/wissen/neuropsychologie-kreativitaet-gehirn-100.html [Stand: 12.01.2021].

3 Rubner, Jeanne/Alvarez, Constanze: Wie entsteht Kreativität?
URL: https://www.br.de/wissen/neuropsychologie-kreativitaet-gehirn-100.html [Stand: 12.01.2021].

4 Vgl. Rohner, Koni: Darum tut es gut, kreativ zu sein. In: Beobachter Gesundheit. Veröffentlicht am 26.05.2015.
URL: https://www.beobachter.ch/gesundheit/psychologie/psychologie-darum-tut-es-gut-kreativ-zu-sein [Stand: 12.01.2021].

5 Vgl. Rubner, Jeanne/Alvarez, Constanze: Wie entsteht Kreativität?
URL: https://www.br.de/wissen/neuropsychologie-kreativitaet-gehirn-100.html [Stand: 12.01.2021].

6 Vgl. Deutschlandfunk Nova: Warum Kreativsein unserer Psyche hilft. Veröffentlicht am 21.12.2020.
URL: https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/kreativitaet-kreativ-sein-psyche [Stand: 12.01.2021).

7 Vgl. Rubner, Jeanne/Alvarez, Constanze: Wie entsteht Kreativität?
URL: https://www.br.de/wissen/neuropsychologie-kreativitaet-gehirn-100.html [Stand: 12.01.2021].

8 Vgl. Red.: Kreative Tätigkeiten verbessern psychisches Wohlbefinden. In: WIENERIN. Veröffentlicht am 05.12.2018.
URL: https://wienerin.at/kreative-tatigkeiten-verbessern-psychisches-wohlbefinden [Stand: 12.01.2021].

9 Vgl. Rubner, Jeanne/Alvarez, Constanze: Wie entsteht Kreativität?
URL: https://www.br.de/wissen/neuropsychologie-kreativitaet-gehirn-100.html [Stand: 12.01.2021].

10 Vgl. Rubner, Jeanne/Alvarez, Constanze: Wie entsteht Kreativität?
URL: https://www.br.de/wissen/neuropsychologie-kreativitaet-gehirn-100.html [Stand: 12.01.2021].

11 Vgl. Nauschnegg, Tamara: Ich bin dann mal kreativ – Wie Kreativität der Psyche guttun. In: achtungleben. Veröffentlicht am 06.11.2019.
URL: https://www.achtungleben.com/2017/09/18/ich-bin-dann-mal-kreativ-wie-kreativit%C3%A4t-der-psyche-gut-tut/ [Stand: 12.01.2021].

12 Vgl. APA: Kreativ sein verbessert die Gesundheit. In: derStandard.at. Veröffentlicht am 12.11.2019.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000110934421/kreativ-sein-verbessert-die-gesundheit [Stand: 12.01.2021].

13 Vgl. APA: Kreativ sein verbessert die Gesundheit.
URL: https://www.derstandard.at/story/2000110934421/kreativ-sein-verbessert-die-gesundheit [Stand: 12.01.2021].

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Veröffentlicht am: 27.01.2021