Unterstützung im privaten Umfeld – die mobile Betreuung im sozialpsychiatrischen Kontext

 

Betreuung im Alltag und dennoch selbstbestimmt leben? Das eine schließt das andere keinesfalls aus, denn mithilfe von mobilen Diensten gelingt die Teilhabe am sozialen Geschehen auch für Menschen mit psychischen Erkrankungen.

Viele von uns kennen Angebote zur mobilen Pflege vorwiegend für ältere Personen, welche sich mit täglichen Aufgaben im Haushalt schwertun, aber im eigenen Zuhause bleiben wollen. Und dieses Bedürfnis ist auch selbstverständlich sowie nachvollziehbar, denn im Eigenheim fühlen wir uns wohl und geborgen. Es kommt jedoch der Zeitpunkt, ab welchem nicht mehr alle Tätigkeiten zureichend ausgeführt werden können und dabei Unterstützung benötigt wird. Und das betrifft nicht nur ältere Menschen.

Auch mobile Dienste für Menschen mit psychischen Erkrankungen sind im ständigen Einsatz, um Betroffene zu betreuen. Hilfestellungen werden hauptsächlich in all jenen Lebensbereichen geleistet, welche in weiterer Folge ein selbstbestimmtes Leben möglich machen.

Und das ist auch das große Ziel der mobilen Betreuung – Eigenständigkeit im Alltag.

Wenn Menschen mit psychischen Erkrankungen auf die Unterstützung von mobilen Diensten angewiesen sind, bedeutet das nicht, dass sie dadurch nicht mehr in der Lage sind, selbstständig zu leben; die mobile Betreuung leistet genau in jenen Bereichen Hilfe, in welchen sie auch benötigt wird. Intendiert wird damit, dass Betroffene sodann ihren Alltag auch wieder ohne fremde Hilfe mit erfüllenden Tätigkeiten organisieren. Ein großer Vorteil der mobilen Betreuung – Betroffene können während der Hilfsmaßnahme in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und müssen nicht in einer stationären Einrichtung untergebracht werden, um sich gesundheitlich zu stabilisieren. Und auch Angehörige, welche die zu betreuenden Personen unterstützen, werden mit solch einem Angebot enorm entlastet.1

Die Betreuung für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist nicht mit unterstützenden Pflegehilfen für ältere Menschen zu vergleichen.

Denn für Betreuer*innen von mobilen Diensten steht die soziale Komponente im Vordergrund: Betroffene erarbeiten gemeinsam mit ihnen, wie sie den Tag bzw. die Freizeit wieder aktiv gestalten, erhalten Unterstützung bei Arztbesuchen oder Behördengängen oder lernen auch, wie sie die eigene Wohnsituation mittels Haushaltstraining und -planung verbessern bzw. die Existenz im Allgemeinen sichern können. „Und ist diese Basis einmal geschaffen, dann verlagert sich der Fokus der Betreuung auf die Psychoedukation2“, wie eine Mitarbeiterin der mobilen Betreuung von pro mente steiermark3 erzählt. „Je weiter die Klient*innen in diesem Prozess vorangeschritten sind, desto besser sind sie auch für etwaige Krisen gewappnet, unter anderem auch die Corona-Krise“, wie sie weiter ausführt.

Es handelt sich also um eine schrittweise Entwicklung hin zur Autonomie.

„Und Klient*innen, die bereits seit Längerem betreut wurden und näher an der Selbstständigkeit dran waren, taten und tun sich auch jetzt deutlich leichter im Umgang mit der Krise“, so eine andere Mitarbeiterin der mobilen Betreuung von pro mente steiermark. Demnach hilft das sozialpsychiatrische Angebot der mobilen Dienste dabei, die eigenen Ressourcen trotz der psychischen Erkrankung zu stärken, um auch jetzt in der aktuell belastenden Zeit besser mit den Anforderungen an den neuen Alltag, welche die Psyche doch stark und zusätzlich beanspruchen, zurechtzukommen. Wichtig dabei ist aber, dass die mobile Betreuung keine medizinische und therapeutische Behandlung ersetzt, sondern als unterstützende Maßnahme zu sehen ist.

Um nun das Hilfsangebot auch aus der Perspektive einer zu betreuenden Person kennenzulernen, stellte sich hierzu eine Klientin, welche aktuell vom Angebot Gebrauch macht, für ein Interview zur Verfügung.

Frau G. (die Person bleibt aus datenschutzrechtlichen Gründen anonym) ist 51 Jahre alt, verheiratet, aber getrennt lebend und leidet an einer bipolaren Störung. Seit 2013 wird sie mobil betreut und nach kurzen Unterbrechungsphasen nun seit dem Jahr 2016 auch dauerhaft von pro mente steiermark. Mittlerweile fühlt sie sich jedoch in der Stärkung der eigenen Ressourcen sicher genug, um die mobile Betreuung demnächst abzuschließen und zukünftig nur noch soziale Begleitung in Anspruch zu nehmen. Im Folgenden erzählt sie, auf welche Art und Weise das Angebot der mobilen Betreuung hilfreich ist und wie sie die Corona-Krise bisher erlebt hat.

Gespräch vom 16.11.2020 mit Frau G.:

Welche Angebote der mobilen Betreuung sind für Sie unterstützend?
Vor allem sind es die Gespräche, die mir sehr helfen. Außerdem bleibe ich in Bewegung und treffe mich mit meiner Betreuung draußen, womit ich auch in Bewegung bleibe. So verkrieche ich mich nicht. Außerdem ist es sehr ermutigend, dass man nicht nur Kontakt und Anschluss zu Freunden hat, sondern eben auch zu Fachpersonal.

Und welche Punkte sind Ihnen persönlich bei der Gestaltung Ihres Alltages wichtig?
Dass ich einen Plan mit festgelegten Terminen habe und so meinen Tag gut organisieren kann. Und dass ich weiterhin arbeite; ich putze 2 Mal wöchentlich einen Privathaushalt.

Die Corona-Krise hat uns alle getroffen. Wie ist es Ihnen bisher ergangen?
Zuerst war es für mich komisch, daheim zu sein. In der Anfangsphase habe ich auch nicht gewusst, was ich mit der Zeit anfangen soll. Aber dann habe ich über Hobbys nachgedacht und damit begonnen, zu lesen und Handarbeit zu machen. Und sobald man es gewohnt ist, dachte ich mir, dass es eben ist, wie es ist.

Was hat Sie während des ersten Lockdowns noch motiviert?
Das Nachdenken darüber, wie ich die Zeit nutzen kann. Und mir hilft der Glaube sehr dabei, mit der Krise umzugehen. Ich war auch in Kontakt mit anderen Gleichgesinnten. Und natürlich war ich zu dieser Zeit auch intensiv telefonisch mit meiner mobilen Betreuung in Kontakt. Da Treffen in dieser Zeit nicht möglich waren, haben wir ca. 2 Mal in der Woche miteinander telefoniert. Und als dann der persönliche Kontakt mit Abstand wieder möglich war, war ich mit meiner mobilen Betreuung spazieren, Kaffee trinken und habe Gespräche mit ihr geführt.

Wie aus dem Interview hervorgeht ist es vor allem der persönliche Kontakt zwischen Klient*in und Betreuer*in, der ungemein hilfreich dabei ist, mit eventuell belastenden Situationen sowie mit der Krankheit im Allgemeinen umzugehen. Deutlich wird auch, dass diese soziale Interaktion mit fachkundigen Personen eine wertvolle Stütze darstellt, womit eine stationäre Behandlung nicht immer notwendig ist (dies hängt jedoch auch von der Schwere der Erkrankung ab). Fokussiert werden einzelne Lebensbereiche der Menschen sowie persönliche Stärken, die im Rahmen der Betreuung ausgebaut werden, um schließlich wieder eigenverantwortlich und ohne Hilfe zurück zu einem selbstständigen Alltag zu finden.

 


1 Vgl. Bundesministerium für Finanzen – Transparenzportal: Mobile Betreuung und Hilfe.
URL: https://transparenzportal.gv.at/tdb/tp/leistung/1022979.html [Stand: 18.11.2020].

2 Unter Psychoedukation versteht man eine unterstützende Maßnahme für Menschen mit psychischen Erkrankungen für den therapeutischen Erfolg. Betroffene werden dabei über das Krankheitsbild und -geschehen aufgeklärt und erhalten Ratschläge für eine individuelle Behandlung. Auch Tipps zur Selbsthilfe werden dabei weitergegeben, sodass die eigenen Ressourcen gestärkt und Betroffene auf sie zurückgreifen können, um sich ebenso selbst zu helfen.
Vgl. dazu Öffentliches Gesundheitsportal – Lexikon: Psychoedukation.
URL: https://www.gesundheit.gv.at/lexikon/p/psychoedukation [Stand: 18.11.2020].

3 Informieren Sie sich über unser Angebot der mobilen sozialpsychiatrischen Betreuung auf unserer Website unter https://www.promentesteiermark.at/projekttyp/mobile-betreuung/ »»

Bildhinweis: Adobe Stock

Veröffentlicht am: 09.12.2020