Positive Gedanken für mehr Wohlbefinden

 

Für die einen zwanghafter Optimismus, für die anderen der Weg zu mehr Wohlbefinden – das positive Denken in angespannten Situationen wird immer wieder spöttisch betrachtet, hat aber durchaus wünschenswerte Wirkungsweisen auf Körper und Seele.

Wir alle kennen sie, die positiven Glaubenssätze, denen wir vor allem dann, wenn wir schlecht gelaunt sind, nur wenig abgewinnen können. „Sieh es mal positiv“, „Bleib optimistisch“ oder „Denk an die guten Dinge“ – Sätze, die vor allem in chaotischen, schwierigen Lebenslagen nur wenig Trost spenden, aber dennoch ihre Berechtigung haben, denn insbesondere aus wissenschaftlicher Sicht ist das positive Denken gewinnbringend für das körperliche und seelische Wohlbefinden.

Die Kraft der Gedanken

Als Teil der Positiven Psychologie, die immer noch mit dem (falschen) Image, sie sei eine Pseudowissenschaft, zu kämpfen hat,1 sind positive Gedankengänge in angespannten Momenten nämlich jedenfalls erstrebenswert. Zahlreiche empirische Untersuchungen konnten belegen, dass sie förderlich für die Stärkung des Immunsystems und für den Schutz des Herz-Kreislauf-Systems sind, ebenso unterstützend auf die Stressresistenz wirken, die allgemeine Lebenserwartung erhöhen und das Risiko, an Depressionen zu erkranken, senken.2

So vorteilhaft positive Gedanken auf uns wirken, so belastend können negative Gedanken für den Organismus sein: „Fühlt sich ein Mensch dauerhaft von negativen Gedanken verfolgt, entwickelt er womöglich körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Schwindel oder chronische Schmerzen, zum Beispiel Kopfschmerzen“3, erklärt Martin Keck, Chefarzt der Psychosomatik, Psychotherapie und Psychiatrie der Rehaklinik Seewis. Und nicht nur der Körper reagiert auf fortwährend negative Gedankenspiralen: „Anhaltende negative Gedanken können außerdem zu seelischem Stress führen. Der Organismus setzt Hormone wie Adrenalin und Cortisol frei. Das ist zwar kurzfristig gesehen positiv, denn dadurch mobilisieren wir mehr Energie. Langfristig setzen die Stresshormone aber den Organen und dem Immunsystem zu“4, weiß Keck. Und nicht zuletzt belastet dieser Stress unser seelisches Gleichgewicht: „Negative Gedanken können auch das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen erhöhen oder Folge der Erkrankung sein“5, so Keck.

Alles eitle Wonne?

Sollte man also stets versuchen, Negatives zu verdrängen und sich stattdessen nur auf Positives zu fokussieren? Dorothee Salchow, Dozentin und Coach der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie, widerspricht: „Es ist […] wichtig, die ganze Bandbreite an Gefühlen zuzulassen“6. So sind es nicht nur die positiven Emotionen, die ein persönliches Wachstum fördern, sondern auch Frustration und Stress. Außerdem wird davor gewarnt, alles ‚schönzureden‘, beispielsweise körperliche und psychische Erkrankungen nur mithilfe der positiven Gedanken heilen zu wollen – man spricht hierbei von naivem Optimismus.7 Im Generellen würden sich die Methoden und Aspekte der Positiven Psychologie an gesunde Menschen richten,8 wie Michaela Brohm-Badry von der Universität Trier erklärt: „Bei gesunden Menschen können sie ein höheres Maß an Wohlbefinden hervorbringen. Bei Lebenskrisen, schweren Erkrankungen und Schicksalsschlägen sollten die Betroffenen sich in professionelle Behandlung begeben“9, so ihre Ausführung.

Eine weitere Argumentation, nicht nur ausschließlich positive Gedanken zuzulassen und negative zu verdrängen – negative Gefühle und Gedanken hätten genauso ihre Berechtigung und sollten nicht zur Gänze unterdrückt werden,10 wie Salchow weiterführend erläutert, denn dann „gehen sie in den Keller und machen dort Krafttraining. Irgendwann kommen sie stärker zurück“11. Die Lehrstuhlinhaberin für Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik Astrid Schütz resümiert deswegen auch: „Negatives gehört einfach dazu. Wir können das Positive nicht so genießen, wenn es nicht den Kontrast zum Negativen gäbe“12. Im Allgemeinen besagt die positive Psychologie nämlich, dass der Fokus zwar stärker auf positive Gedanken und Emotionen gerichtet werden soll, negative Gedanken und Gefühle jedoch nicht ausgeklammert werden dürfen.13

Das Positive im Fokus

Obwohl das positive Denken gemäß den Ausführungen Einschränkungen erfährt, ist dessen gesundheitsförderlicher Wert für Körper und Seele unbestritten. Doch wie schaffen wir es, dem Positiven mehr Raum zu geben? Dazu hat der Begründer der Positiven Psychologie, Martin Seligman, das sogenannte PERMA-Schema entwickelt, welches fünf Elemente anführt, die das positive Denken fördern und damit zu mehr Wohlbefinden verhelfen:14

  • P – Positive Emotions
    Unsere Aufmerksamkeit bzw. positiven Gefühle sollen stärker auf schöne Momente in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gerichtet werden. So fördern angenehme Erinnerungen, das bewusste Wahrnehmen und Genießen von Alltagssituationen sowie beispielsweise Vorfreude auf künftige Ereignisse die Entfaltung positiver Emotionen.
  • E – Engagement
    Hierbei geht es um Tätigkeiten, in denen wir uns frei entfalten können und die uns in einen ‚Flow‘-Zustand versetzen. Je nach individueller Vorliebe kann dies die sportliche Ausübung, das Spielen eines Instruments oder auch das Basteln sein.
  • R – Relationship
    Soziale Beziehungen sind unabdingbar für das eigene Wohlbefinden. Der rege Kontakt zu anderen Menschen und der Austausch mit ihnen mindern nicht nur das Risiko, eine psychische Erkrankung wie eine Depression zu entwickeln, sondern tragen gemäß Studienergebnissen im Allgemeinen zu mehr Lebenszufriedenheit bei.
  • M – Meaning
    Durch das Sinn-Erleben – etwas, das sinnvoll und gleichzeitig größer erscheint als wir selbst – wird ebenfalls das Wohlbefinden gesteigert. Beispielhaft können hier die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder die Gestaltung des Lebens nach bestimmten Werten als sinnvoll wahrgenommen werden.
  • A – Accomplishment
    Das Wohlbefinden lässt sich nicht zuletzt durch Erfolgserlebnisse – beispielsweise in der Arbeitswelt oder im Bildungsbereich – positiv beeinflussen. Zufriedenheit stellt sich aber auch ein, wenn bereits kleine Ziele erreicht werden können.

Neben dem PERMA-Modell gibt es noch weitere Tipps, die dazu verhelfen können, positive Gedanken und Emotionen zu erzeugen und ihnen mehr Platz einzuräumen:15

  • Dankbarkeitstagebuch führen
    Obwohl die positiven Effekte dieser Methodik nicht hinreichend belegt sind, gibt es Hinweise, dass sie zumindest das Wohlbefinden steigern kann – das Führen eines Dankbarkeitstagebuches. Ziel ist es, dass mindestens drei schöne Momente eines Tages – auch Kleinigkeiten – gedanklich bewusst hervorgerufen und niedergeschrieben werden. Eine Studie aus dem Jahr 2005 zeigte auf, dass diese Technik bereits nach einer Woche unter den psychisch gesunden Proband*innen zu mehr Lebenszufriedenheit führte, während gleichzeitig depressive Symptome reduziert wurden.
  • Positive Tagesziele notieren
    Das Festhalten von schönen, positiven Momenten, die im Laufe des Tages erlebt werden wollen, sowie Details dazu, wie diese erreicht werden können, führt zu positiven Gedanken.
  • Negative Gefühle akzeptieren
    Nehmen negative Gedanken und Emotionen viel Raum ein, sollte versucht werden, herauszufinden, warum diese vorherrschen und was unternommen werden kann, um sie zu reduzieren.
  • Bewusst lächeln und lachen
    Wissenschaftlich belegt ist, dass ein herzhaftes, ehrliches Lachen Glückshormone freisetzt und den Stoffwechsel anregt.
  • Optimismus verbreiten, aber nicht naiv sein
    Zwar sollten Ziele optimistisch verfolgt werden, aber positive Gedanken alleine sind nicht ausreichend, um sie tatsächlich zu erreichen. Mögliche Hindernisse sollten deswegen berücksichtigt werden.
  • Achtsamkeit praktizieren
    Nicht nur Achtsamkeitsübungen unterstützen das Wohlbefinden, sondern auch das bewusste Wahrnehmen des Augenblicks mit allen Sinnen.
  • Professionelle Hilfe
    Positive Emotionen und Gedanken haben ihre Grenzen, insbesondere in psychischen Krisen, schweren Lebenssituationen und Schicksalsschlägen sowie im Zuge einer Krankheit. Um einem negativen Umgang damit entgegenzuwirken und dem zu begegnen, sollte Hilfe von Professionist*innen (wie von Psychotherapeut*innen oder Fachleuten von Beratungsstellen) in Anspruch genommen werden.

Und obwohl die Positive Psychologie und insbesondere positive Gedanken/Emotionen nicht dazu dienen, alles Negative zurückzudrängen, und auch an Grenzen stoßen, ist deren Wirkung im Hinblick auf das körperliche und psychische Wohlbefinden unbestritten. Deswegen gilt es, den Fokus intensiver auf die schönen Dinge des Tages zu lenken, Negatives dabei aber nicht zu unterdrücken und so zur Förderung der seelischen Gesundheit bewusst beizutragen.

 


1 Vgl. Friess, Delia: Wie ihr Optimismus lernt und wann er toxisch wird. In: ardalpha.de. Veröffentlicht am 16.10.2023.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/positiv-denken-lernen-tipps-uebungen-positive-psychologie-100.html [Stand: 04.07.2024].

2 Vgl. Rehberg, Carina: Positives Denken schützt Sie! In: zentrum-der-gesundheit.de. Aktualisiert am 12.09.2023.
URL: https://www.zentrum-der-gesundheit.de/bibliothek/ratgeber/lebenshilfe/positives-denken [Stand: 04.07.2024].

3 AOK Gesundheitsmagazin: Negative Gedanken loswerden: So geht’s. In: aok.de. Veröffentlicht am 23.03.2022.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/negative-gedanken-loswerden-tipps-vom-experten/ [Stand: 04.07.2024].

4 AOK Gesundheitsmagazin: Negative Gedanken loswerden: So geht’s.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/negative-gedanken-loswerden-tipps-vom-experten/ [Stand: 04.07.2024].

5 AOK Gesundheitsmagazin: Negative Gedanken loswerden: So geht’s.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/negative-gedanken-loswerden-tipps-vom-experten/ [Stand: 04.07.2024].

6 dpa: Toxic Positivity: Warum negative Gedanken wichtig sind. In: geo.de. Veröffentlicht am 03.05.2024.
URL: https://www.geo.de/wissen/gesundheit/toxic-positivity–warum-negative-gedanken-wichtig-sind-34680334.html [Stand: 04.07.2024].

7 Vgl. Friess, Delia: Wie ihr Optimismus lernt und wann er toxisch wird.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/positiv-denken-lernen-tipps-uebungen-positive-psychologie-100.html [Stand: 04.07.2024].

8 Vgl. Friess, Delia: Wie ihr Optimismus lernt und wann er toxisch wird.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/positiv-denken-lernen-tipps-uebungen-positive-psychologie-100.html [Stand: 04.07.2024].

9 Friess, Delia: Wie ihr Optimismus lernt und wann er toxisch wird.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/positiv-denken-lernen-tipps-uebungen-positive-psychologie-100.html [Stand: 04.07.2024].

10 Vgl. dpa: Toxic Positivity: Warum negative Gedanken wichtig sind.
URL: https://www.geo.de/wissen/gesundheit/toxic-positivity–warum-negative-gedanken-wichtig-sind-34680334.html [Stand: 04.07.2024].

11 dpa: Toxic Positivity: Warum negative Gedanken wichtig sind.
URL: https://www.geo.de/wissen/gesundheit/toxic-positivity–warum-negative-gedanken-wichtig-sind-34680334.html [Stand: 04.07.2024].

12 dpa: Toxic Positivity: Warum negative Gedanken wichtig sind.
URL: https://www.geo.de/wissen/gesundheit/toxic-positivity–warum-negative-gedanken-wichtig-sind-34680334.html [Stand: 04.07.2024].

13 Vgl. Friess, Delia: Wie ihr Optimismus lernt und wann er toxisch wird.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/positiv-denken-lernen-tipps-uebungen-positive-psychologie-100.html [Stand: 04.07.2024].

14 Vgl. Friess, Delia: Wie ihr Optimismus lernt und wann er toxisch wird.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/positiv-denken-lernen-tipps-uebungen-positive-psychologie-100.html [Stand: 04.07.2024].

15 Vgl. Friess, Delia: Wie ihr Optimismus lernt und wann er toxisch wird.
URL: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/positiv-denken-lernen-tipps-uebungen-positive-psychologie-100.html [Stand: 04.07.2024] und
vgl. AOK Gesundheitsmagazin: Wie positive Gedanken die Psyche beeinflussen können. In: aok.de. Veröffentlicht am 18.03.2021.
URL: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/motivation/wie-positive-gedanken-die-gesundheit-beeinflussen/ [Stand: 04.07.2024].

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Veröffentlicht am: 17.07.2024